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Geschichten vom Fälscher

Dass Johannes Flütschs Geschichten vom Fälscher zu einer Gaunerkomödie aus dem wirklichen Leben geworden sind, verdanken sie der Persönlichkeit und Ausstrahlungskraft des Porträtierten: Hansjörg Mühlematter ist nicht nur ein hochbegabter Geldfälscher, er erwies sich während der Dreharbeiten auch als brillanter Geschichtenerzähler – ein wahrer Glücksfall für einen Dokumentarfilmer.

Text: Gerhart Waeger / 01. Mai 2003

Dass Johannes Flütschs Geschichten vom Fälscher zu einer Gaunerkomödie aus dem wirklichen Leben geworden sind, verdanken sie der Persönlichkeit und Ausstrahlungskraft des Porträtierten: Hansjörg Mühlematter ist nicht nur ein hochbegabter Geldfälscher (in den Siebzigerjahren druckte er für die Mailänder Mafia falsche Hunderternoten im Wert von sechs Millionen Franken, 15 Jahre später versuchte er es mit Tausendernoten im Wert von 13 Millionen), er erwies sich während der Dreharbeiten auch als brillanter Geschichtenerzähler – ein wahrer Glücksfall für einen Dokumentarfilmer. Der Plural im Filmtitel wurde mit Bedacht gewählt: Mühlematter verwandelt während des Erzählens die Geschichte seines Lebens zu einer Reihe amüsanter und witziger Geschichten, in denen Kunstverstand (nicht nur in Bezug auf die Kunst des Geldfälschens) und Lebensweisheit dominieren. Flütsch war klug genug, zuzupacken und seinen Film dem Temperament des Porträtierten und nicht zuletzt auch dem «Timing» von dessen Erzählweise anzupassen. Obwohl das Schweizer Fernsehen DRS als Koproduzent vermutlich auf das «Fernsehformat» von 52 Minuten Spieldauer gedrängt haben dürfte, entsteht nirgends der Eindruck, es seien irgendwelche Informationen gekürzt oder übersprungen worden. Der Reiz dieses Films liegt nicht zuletzt auch in seiner gerafften Form.

Dass der begabte Drucker und Grafiker beide Male, als er sich auf ein solches Abenteuer einliess, hinter Gittern landete, war reines Missgeschick (etwa ein Autounfall auf der Fahrt nach Mailand, wo er die gerollt im Auspuff seines Wagens versteckten Druckplatten abliefern wollte) und Pech mit den Komplizen (von denen einer die Probedrucke der falschen Tausender für sich selber abzweigte). Mühlematter hat seine Misserfolge erstaunlich gut verkraftet. Er erzählt sie mit einem Humor und einer Selbstironie, die an die britischen Filmkomödien der frühen Fünfzigerjahre erinnern.

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Ausgerechnet ein Vertreter der Justiz kam dem Filmautor und seinem Protagonisten zu Hilfe: Der Adjunkt der «Zentralstelle des Bundes zur Bekämpfung der Falschmünzerei», der Mühlematter in beiden Fällen entlarvt hatte, ist heute dessen dankbarer Gesprächspartner beim Fachsimpeln zum Thema, das auch ihn nicht mehr loslassen will. Die Gründung des «Musée de la Fausse Monnaie» in Saillon im Kanton Wallis geht auf seine Initiative zurück. Dass Mühlematter ein guter Kenner des in diesem Museum bestens vertretenen Farinet ist, erstaunt nicht weiter. Doch sein Interesse beschränkt sich nicht auf Falsifikate. Der Direktor der Strafanstalt Lenzburg lobt seinen ehemaligen Insassen Mühlematter als grossen Dürer-Kenner. Der inzwischen in die Jahre gekommene Fälscher betätigt sich heute denn auch als Maler und Zeichner – wenn er nicht gerade beim Fischen ist. Stolz erzählt er vom Fang eines riesigen Hechts und erwähnt dabei schmunzelnd jenen kleinen Betrüger, der in der Westschweiz grosse Hechte einkaufte, um sie als «erfolgreiche Fänge» aus dem Sihlsee ziehen zu können. Womit Mühlematter auf Umwegen zum eigentlichen Thema zurückfindet: Geld verdienen, lässt Flütschs Film durchblicken, kann nicht Mühlematters einziges Motiv gewesen sein: Ihm ging es nicht zuletzt um eine Art Besessenheit, durch eigenes Vermögen die andern hereinlegen zu können. Eine Kunst, die letztlich auch gewisse Parallelen zum Filme-Drehen aufweist.

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 2/2003 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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