Vier Freund:innen setzen sich eines Abends ins Auto, um Essen zu holen, biegen falsch ab und finden sich plötzlich auf einer offenbar endlosen Waldstrasse wieder. Der Weg zurück in die Zivilisation ist von Dickicht versperrt, nach 90 Sekunden Stillstand werden sie von um Hilfe schreienden Menschen, die aus dem Wald herausströmen, angegriffen. Das Benzin scheint niemals auszugehen, niemand kann schlafen, niemand hat Hunger, niemand muss auf die Toilette. Es gibt nur eines: weiterfahren. Aus Stunden werden Tage und Wochen, aus hunderten Meilen auf dem Hodometer werden erst tausende, dann zehntausende, schliesslich hunderttausende.
Es ist ein klassisches Twilight Zone-Szenario, in das die frischgebackenen College-Abgänger:innen Day (Akira Jackson), James (Phinehas Yoon) und Fisher (Noah Toth) sowie ihr alter Highschool-Kumpel Tyler (Mitchell Cole) – der Einzige im Bunde mit einem «echten Job» – im Regiedebüt von Alexander Ullom hineingeraten, abgeschmeckt mit der Internet-Folklore der liminal spaces und «Backrooms», die sich bei Gen Z seit jeher grosser Beliebtheit erfreuen.
Doch It Ends, einer der Launchtitel des von der Filmbewertungs-App Letterboxd kuratierten VOD-Formats «Letterboxd Video Store», ist nur im weitesten Sinne ein Horrorfilm. Mit seinem sichtlich begrenzten Budget legt es der Film nur zu Beginn auf explizite Schreckmomente an – Ullom ist sich augenscheinlich bewusst, dass Menschengruppen, welche auf die Protagonist:innen zurennen, nicht das nachhaltigste Gruselkonzept darstellen.
Trotzdem wecken die nächtlichen Lo-Fi-Aufnahmen des waldigen Schauplatzes und die damit verbundenen Assoziationen mit den uramerikanischen Ängsten vor einem «ungezähmten» Kontinent stellenweise positive Erinnerungen an The Blair Witch Project
(1999). Doch während jener unterbewertete Low-Budget-Found-Footage-Klassiker seine beunruhigende Kraft aus der Suggestion schöpfte, aus dem Offenlassen von Fragen, aus der – manchmal eindeutig budgetbedingten – Nichtdarstellung von Horror, ist It Ends um einiges log(ist)ischer gepolt: Die metaphysische Beschaffenheit dieses «Backrooms» mag nicht vollumfänglich aufgeklärt werden, dafür sind seine Regeln bald einmal ergründet. Selbst das unheimlichste Mysterium wird bei genügend langer Betrachtung zur handhabbaren Herausforderung.
© Aymara Films
So nimmt der vermeintliche Horror dieser surrealen Geschichte von vier Menschen an der Schwelle zum «richtigen» Erwachsenwerden bald die Gestalt einer verkappten Adaption von Friedrich Dürrenmatts «Der Tunnel» an, gefiltert durch einen fatalistisch-absurden Humor, wie man ihn in gewissen Ecken des Internets regelmässig antrifft. Wer die selbstreflexiven Videospiele von Crows Crows Crows mag, wird den Tonfall hier definitiv zu schätzen wissen.
Innerhalb dieses spartanischen Rahmens spielt Ullom eine solide – in einer Welt, in der It Follows (2014) existiert, aber auch nicht bahnbrechende – Adoleszenz-Metapher durch: die ellenlange Strasse und die allzu kurzen 90-Sekunden-Pausen als Symbole des enttäuschend eintönigen, «normalen» Lebens, das den Figuren bevorsteht; das in Zeiten politischer und klimatischer Katastrophen allgegenwärtige Wissen, das just ausser Sichtweite die Welt am Rande irgendeines Kollapses steht; die Verlockung, «aufzugeben» und ein:e langweilig:e Durchschnittsbürger:in zu werden.
Am stärksten ist It Ends aber in jenen Momenten, in denen er die Strasse einfach Strasse sein lässt, die Figuren nicht über das Regelwerk ihrer Situation philosophieren lässt und sich darauf konzentriert, das Szenario mit menschlichen Details zu füllen – ein Unterfangen, bei dem auch die vier Hauptdarsteller:innen tatkräftig mithelfen. Noch selten wurde das Gefühl, im Jahr 2025 zu leben, so treffend eingefangen wie in jenem Moment, in dem Day und Fisher auf der Autorückbank fläzen und einander mit absichtlich schlechten Memes über den Alltag auf der Waldtrasse des Verderbens zumüllen.