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Cocaine Bear Szenen ov 18 Scene Picture

Nase voll und durch: Cocaine Bear

Elisabeth Banks’ erster Regieausflug ins Horrorgenre will vor allem witzig sein. Das gelingt ihr bedingt.

Text: Sarah Stutte / 12. Apr. 2023
  • Regie, Buch

    Elizabeth Banks

  • Kamera

    John Guleserian

  • Darsteller:innen

    Keri Russell, Isiah Whitlock Jr., Margo Martindale, Ray Liotta

Der zugedröhnte Drogenschmuggler Andrew C. Thornton II stürzt sich mit einem Rucksack voller Koks aus einem Flugzeug und stirbt, weil er sich zuvor den Kopf gestossen hat und deshalb seinen Fallschirm nicht mehr öffnen konnte. Sein Körper landet im Bundesstaat Tennessee. Das Flugzeug, dass noch mit viel mehr Kokain an Bord beladen war, landet in einem Nationalpark in Georgia. Dort findet ein 230 kg schwerer Schwarzbär das Koks und schnupft es.

So absurd das klingt – ähnlich hat es sich tatsächlich zugetragen im September 1985 im Süden der USA. Besagter Bär wurde drei Monate später im Bundesstaat Georgia inmitten von 40 geöffneten Plastikbehältern mit Koks tot aufgefunden. Cocaine Bear hat aus dem toten Bären eine CGI-Bärin gemacht, die nach dem Drogenkonsum hochaggressiv wird und deshalb jeden Menschen zerfetzt, der ihr nahe kommt.

Auf den ersten «Wanderunfall» folgen mehrere abgetrennte Beine, einige abgeschossene Finger, eine Enthauptung, ein paar Gehirnspritzer, ein grotesk verrenktes Handgelenk und jede Menge Eingeweide, Blut und menschliche Innereien. Die Inspiration ist offensichtlich: In den Slasher-Filmen und Horrorkomödien der Achtzigerjahre wie den Evil Dead-Filmen erkennen Drehbuchautor Jimmy Warden und Regisseurin Elizabeth Banks das komische Potenzial des Ekelhaften.

Trotzdem reicht das nicht annähernd an den zynischen Witz eines Sam Raimi oder an die Splatter-Kreativität eines Peter Jackson heran. Das mag daran liegen, dass Elizabeth Banks zwar durchaus komödiantisches Talent besitzt, bislang jedoch so gut wie keine Horrorfilmerfahrung vorweisen kann. Vielleicht wären Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett hierfür die bessere Wahl gewesen. Sie sollten den Film ursprünglich inszenieren, waren dann aber mit ihrem neuen Scream-Ableger beschäftigt.

Cocaine Bear Szenen ov 15 Scene Picture

Wirklich unterhaltsame Momente, wie beispielsweise eine Verfolgungsjagd in einem Krankenwagen, gibt es deshalb selten. Die meiste Zeit über verlässt sich der Humor zu sehr auf die Prämisse, dass ein kokainschnupfender Bär alleine schon ausreicht, um Lacher zu generieren. Für eine gelungene Horror-Trashkomödie hätten jedoch die Figuren durchs Band unsympathisch gezeichnet werden müssen, um das Tier wirklich als Racheengel der Natur zu etablieren.

Doch der Bär ist hier sowieso nur Mittel zum Zweck. Er wird ausnahmslos als blutrünstiges Monster dargestellt. Da nützt auch die Metapher der beschützenden Mutter nicht mehr viel, die hier in zweifacher Form ohnehin vergleichsweise plump daherkommt. Dieses Tierunverständnis verwundert vor allem deshalb, weil Banks in Interviews mehrfach behauptete, ihr hätte das Schicksal des wahren Bären leid getan und darum wolle sie ihm eine Art Denkmal setzen. Ob sie dem Tier damit nicht einen Bärendienst erwiesen hat, bleibt dahingestellt.

Als Anti-Drogenfilm funktioniert Cocaine Bear auch nur bedingt. Dafür reicht es nicht, zu Beginn des Films einen Ausschnitt aus einer alten This is your brain on drugs-Werbung zu zeigen, um an den amerikanischen Drogenkrieg der Achtzigerjahre zu erinnern – einem katastrophalen politischen Fehlschlag mit schwerwiegenden menschlichen Folgen. Das verleiht Cocaine Bear die Moral einer Schulaufführung und ist ein weiteres Indiz dafür, dass hier am Ende der Mut fehlte, etwas zu riskieren.

Der einzige Lichtblick in der Geschichte bleibt deshalb ein bärbeissiger Ray Liotta als Drogenboss in einer seiner letzten Rollen. Trotzdem hätte man ihm einen denkwürdigeren filmischen Abtritt gewünscht.

 

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