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Lovehonor 04

Love and Honor

In seiner Samurai-Trilogie nach Vorlagen des Autors Shuuhei Fujisawa, die Yoji Yamada nun mit Love and Honor abschliesst, versenkt er seinen Blick liebevoll in den Alltag, das häusliche Leben dieser Kaste. Die Trilogie kreist um die Erfahrungen von sozialer Deklassierung und Ungnade, von Verlust und Rehabilitierung.

Text: Gerhard Midding / 05. Mär. 2008

Die Würde eines Genres erweist sich auch darin, dass man es wie ein Kaleidoskop betrachten kann: Je nach Blickwinkel lässt es unterschiedliche Brechungen zu. Der japanische Schwertkampffilm ist ein solches Genre, das aus einem begrenzten Themenkatalog grossen erzählerischen Reichtum schöpft, in dem es die Perspektiven weit auffächert.

In seiner Samurai-Trilogie nach Vorlagen des Autors Shuuhei Fujisawa, die Yoji Yamada nun mit Love and Honor abschliesst, versenkt er seinen Blick liebevoll in den Alltag, das häusliche Leben dieser Kaste. Wie zuvor in The Twilight Samurai und The Hidden Blade dauert es lange Zeit, bis überhaupt einmal ein Schwert gezückt wird. Die Trilogie kreist vielmehr um die Erfahrungen von sozialer Deklassierung und Ungnade, von Verlust und Rehabilitierung. Die Filme spielen jeweils in einem Epochenwechsel, sind aber kein sentimentaler Schwanengesang auf eine untergehende Lebensweise und deren Wertvorstellungen. Sie tauchen vielmehr die tradierten Gewissheiten des Genres in ein unerwartetes Zwielicht. Mut und Ehre sind in ihnen vieldeutige Kategorien.

Lovehonor 01

Zu einer solch behutsamen Umwertung eines Genres ist womöglich nur ein Filmemacher fähig, der bislang nie in diesem Genre gearbeitet hat. Die Melancholie, die in ihnen herrscht, verrät indes eine intime Kenntnis seiner Traditionen. Yamada ist in Japan vor allem als Regisseur der Torasan-Serie bekannt, einer Mischung aus Melodram und Schelmenroman, die seit den sechziger Jahren auf rekordverdächtige achtundvierzig Episoden angewachsen ist. (Auch dort hat er die Perspektive einer sozialen Randfigur gewählt, eines freiheitsliebenden Vagabunden, um ein Panorama der japanischen Gesellschaft zu entfalten.)

Auch im martialischen Samurai-Genre filmt Yamada seine Figuren mit der gleichen Höflichkeit, mit der man einem erschöpften, geplagten Gast ein Kissen reicht. Man schaue sich nur einmal die Szene mit den Glühwürmchen an, die in Love and Honor eine Schlüsselstelle markiert. Welch kostbarer Anblick sie sind, wie sie nachts munter durch den Garten vor dem Haus schwirren und wacker ihren aussichtslosen Kampf gegen das Dunkel aufnehmen! Aber der junge Samurai kann sie nicht sehen. Als Vorkoster seines Lehnsherrn hat er Tage zuvor einen giftigen Fisch probiert, der seinen Sehnerv auf ewig zerstört hat. Beginnt jetzt nicht die Zeit der Glühwürmchen, fragt er abends auf der Veranda seine Frau. Nein, erwidert sie, noch nicht. Die Barmherzigkeit ihrer Lüge lässt die Tiefe einer Liebe erahnen, die Zuflucht in Takt und Diskretion suchen muss, weil es Stolz, Erziehung und Ehrenkodex der Gesellschaft nicht zulassen, sie offen einzugestehen.

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Vor seiner Erblindung träumte der stolze Samurai, die Sinnleere seiner Existenz zu füllen, indem er eine Fechtschule für Kinder aus allen Gesellschaftsschichten gründet. Nun fristet er ein demütigendes Dasein. Als er erfährt, dass seine Frau sich einem hohen Beamten hingegeben hat, der ihr eine Leibrente für ihren invaliden Gatten versprach, verstösst er sie. Nachdem er jedoch erfährt, dass das Versprechen eine Lüge war, fordert der Blinde den ruchlosen Beamten, einen gefürchteten Schwertkämpfer, zum Duell, um seine Frau zu rächen.

Yamada entfaltet diese Geschichte als eine Parabel über Begreifen und Erkenntnis, die er als Prozess einbindet in den Wechsel der Jahreszeiten. Behutsam begleitet die Kamera die Figuren auf ihrem moralischen Parcours, greift ihre Bewegungen wie ein sie zärtlich behütender Vertrauter auf. Anfangs überträgt der Mann die Hierarchien des Feudalsystems noch in sein Eheleben, es liegt eine grosse Herablassung darin, wie er mit seiner Frau und seinem treuen Diener umgeht. Yamadas erzählerische Grosszügigkeit besteht darin, uns beide Seiten verstehen zu lassen: den Stolz des Mannes, der sich der Liebe erst öffnen kann, weil sich die Gesellschaftsstrukturen auflösen, und die Demut der Frau, die gleichwohl ihre Bedürfnisse vertreten und mit List durchsetzen kann.

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 2/2008 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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