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Materialists 1
© Sony Pictures Releasing Switzerland GmbH

Materialists, ledig, suchen…

Auch Celine Songs zweiter Film verwechselt Gemeinplätze mit thematischem Tiefgang. Dennoch schlummert in dieser Komödie satirisches Potenzial.

Text: Alan Mattli / 20. Aug. 2025
  • Regie, Buch

    Celine Song

  • Kamera

    Shabier Kirchner

  • Schnitt

    Keith Fraase

  • Musik

    Daniel Pemberton

  • Mit

    Dakota Johnson, Chris Evans, Pedro Pascal, Zoë Winters

  • Start

    21. August 2025

Wenn Past Lives, das gefeierte Regiedebüt der kanadischen Dramatikerin Celine Song, ein grosses Problem hatte, dann war es der Nachdruck, mit dem der Film auf seine eigene emotionale und thematische Tiefe pochte. Die autobiografisch angehauchte Geschichte einer Frau, die als Kind mit ihren Eltern aus Südkorea auswanderte und sich als Erwachsene zwischen ihrem amerikanischen Partner und ihrer koreanischen Jugendliebe hin- und hergerissen fühlt, war letztlich eine ziemlich oberflächliche Angelegenheit voller abgedroschener Gemeinplätze, gerierte sich aber als komplexes Liebesdreieck, das grundlegende Fragen über Beziehungen und Identität aufwarf.

Ähnlich verhält es sich mit Songs zweitem Wurf. Materialists handelt von der Heiratsvermittlerin und stolzen Junggesellin Lucy (Dakota Johnson), die Liebe von Berufs wegen auf harte Fakten und algorithmische Datensätze heruntergebrochen zu haben glaubt – bis ihr Ex-Freund John (Chris Evans) wieder in ihr Leben tritt und sie den scheinbar perfekten Wall-Street-Investor Harry (Pedro Pascal) kennenlernt.

Materialists 2

© Sony Pictures Releasing Switzerland GmbH

Als Parabel auf die zeitgenössische (heterosexuelle) Dating-Szene ist der Film weitaus weniger tiefgreifend, als er sich bisweilen gibt. Immer wieder vergleicht Dakota Johnson die moderne Liebe mit Mathematik, und mittels doch recht offensichtlicher Beobachtungen: Ehen waren schon immer ein Geschäft, ein Warenaustausch, ein Vertrag. Bei der Partner:innensuche zählt – im Checklisten-Stil – die Kompatibilität in Sachen Weltanschauung, Einkommen und Ausbildung. Als Heiratsvermittlerin geht es darum, die unrealistischen Erwartungen von Männern (schlank, intelligent, gefügig und unter 30 muss sie sein) und Frauen (200 000 Dollar Jahreseinkommen und 1,80 Meter Körpergrösse sind das Minimum) zu managen und aufeinander abzustimmen.

Auch Lucys Liebeswirren sind nicht sonderlich raffiniert konstruiert. Der pathologisch am Hungertuch nagende Schauspieler John ist eine allzu simpel gestrickte Chiffre für die treuherzige, unverfälschte, «echte», aber eben auch unprofitable Liebe, während der schwerreiche, charmante, gebildete, perfekt gekleidete, die optimalen Restaurants aussuchende Harry als die «kluge» Wahl positioniert wird – und schliesslich unter bizarren Umständen entzaubert werden muss.

Materialists 3

© Sony Pictures Releasing Switzerland GmbH

Doch weil sich Materialists im Gegensatz zu Past Lives als Komödie versteht und entsprechend locker dahinplätschert, fällt diese Oberflächlichkeit hier – trotz eines etwas gar saloppen Schlenkers durch einen Missbrauchs-Nebenplot – weniger stark ins Gewicht. Man könnte sich aufgrund dieser Genre-Überlegung sogar an die These heranwagen, dass sich Songs Film weniger mit seinen Figuren identifiziert, als es auf den ersten Blick den Anschein macht: Gut möglich, dass Lucys flatterhafte, nicht gänzlich überzeugende Evolution von der abgeklärten Liebesmathematikerin zur schwärmenden Romantikerin weniger Rom-Com-Selbstverwirklichung als verkappte Satire ist.

Vielleicht sind die durch ein glamourös verklärtes Fantasie-New-York geisternden Protagonist:innen von Materalists ja nicht (nur) das Produkt eines fadenscheinigen Drehbuchs, das ihre angeschlagenen Psychen nie so richtig thematisiert. Was, wenn Jahre des Arbeits- und Wohlstandsfetischismus, der Verinnerlichung medialer Narrative über Beziehungen, Selbstoptimierungen und Traumprinzen, Lucy, John und Harry emotional schlicht und ergreifend abgestumpft haben?

 

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