Mexiko, 1986: Alles wartet fieberhaft auf den Beginn der Fussball-Weltmeisterschaft im eigenen Land. Unter den zur feierlichen Eröffnung geladenen Würdenträger:innen: Vertreter:innen der rechten Militärdiktatur, die im Nachbarland Guatemala seit Jahren mit eiserner Faust regiert und vor allem an der indigenen Bevölkerung regelmässig blutige Massaker verübt. Um die Gesellschaft auf diese Zustände aufmerksam zu machen – und den Normalisierungskurs der mexikanischen Regierung anzuprangern –, bemüht sich Julia (Bérénice Bejo) darum, dass das Magazin, für das sie arbeitet, einen Artikel über die Folter- und Tötungskommandos des guatemaltekischen Regimes veröffentlicht.
Was niemand weiss: Julias echter Name ist María und sie gehört einer linken Widerstandsgruppe aus Guatemala an. Als vor zehn Jahren ihr Ehemann von Regierungsschergen auf offener Strasse erschossen wurde, floh sie aus ihrem Heimatland ins mexikanische Exil, wo sie sich mit ihrem Gesinnungsgenossen Miguel (Leonardo Ortizgris) ein neues Leben aufgebaut hat. Ihren damals erst wenige Monate alten Sohn Marco liess sie bei ihrer Mutter Eugenia (Julieta Egurrola) zurück.

© Xenix Filmdistribution GmbH
Über die Jahre hatten Eugenia und Marco (Matheo Labbé) zwar die Gelegenheit, María heimlich zu besuchen, doch das Band zwischen Mutter und Sohn ist alles andere als ein enges. Genau dieses wird nun aber ebenso auf die Probe gestellt wie Marías Aktivismus: Die krebskranke Eugenia liegt im Sterben, also soll nun auch Marco nach Mexiko-Stadt übersiedeln und eine Geheimidentität annehmen – und das obwohl die Diktatur ihren Gegner:innen auch hier dicht auf den Fersen ist und bekanntermassen selbst vor Kindsmord nicht Halt macht.
Die Widmung am Ende des Films – «a mi madre» – lässt es erahnen: Mexico 86 ist autobiografisch inspiriert. Auch die Mutter des 46-jährigen belgisch-guatemaltekischen Regisseurs und Autors César Díaz musste nach Mexiko fliehen, als er noch ein Kind war; derweil sein Vater zu den über 150 000 Menschen gehörte, die im Laufe des Bürgerkriegs «verschwanden».
Doch trotz dieses persönlichen Bezugs, trotz der in Zeiten des global wiedererstarkenden Faschismus ungemein relevanten Thematik, trotz der äusserst effektiven Atmosphäre der Paranoia, die sich langsam an das Publikum heranschleicht: Mexico 86 bleibt letztlich ein verblüffend unspezifischer Film.

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Der revolutionäre Marxismus, dem sich die erwachsenen Figuren nominell verschrieben haben, ist eher ein Assoziationen auslösendes Schlagwort als eine gelebte, im Film sichtbar gemachte Überzeugung. So erfährt man als Zuschauer:in etwa mehr über Miguels Liebe zur italienischen Fussballnationalmannschaft als über seine politischen Überzeugungen oder seine emotionale Bindung zu María. Und auch María und Marco bleiben bis zuletzt dramatische Chiffren, unausgereifte Skriptkonstrukte, die eine Szene nach der anderen damit verbringen, sich gegenseitig ihre jeweiligen emotionalen Konflikte zu erklären, anstatt sie wirklich zu verkörpern.
Darin mag ein Kommentar über die entmenschlichende Natur von Diktaturen enthalten sein: Mit Marco kehren auch die Gefühle zu María zurück – und damit auch die Angst vor dem Tod, die der Revolution einen Strich durch die Rechnung machen könnte. Jeder potenzielle Verfremdungseffekt, der sich aus dieser Erkenntnis gewinnen liesse, wird schliesslich jedoch von der ziemlich konventionell gehaltenen Erzählung von Mexico 86 neutralisiert.