«Genrefilm mit viel Budget und noch mehr thematischem Anspruch»: Das ist die Nische, die sich Ryan Coogler während des letzten Jahrzehnts in Hollywood erarbeitet hat. Er hat mit Creed (2015) den grossen Rocky Balboa noch einmal aufleben lassen und die Boxsaga gleichzeitig stimmig ins Schwarze Arbeiter:innenmilieu verlegt; und sein Black Panther (2018) hat das notorisch risikoscheue und vordergründig apolitische Marvel Cinematic Universe an Themenfelder wie Afrofuturismus und den langen Schatten von Kolonialismus und Sklavenhandel herangeführt. Umso gespannter durfte man auf Sinners sein, Cooglers fünfte Regiearbeit – und die erste seit seinem Debüt, dem biografischen Polizeigewalt-Drama Fruitvale Station (2013), die nicht auf etabliertem «Intellectual Property» basiert.
Es sei denn, man zählt untote Monster als Franchise, denn mit diesen bekommt es Coogler-Spezi Michael B. Jordan – Adonis Creed und Black-Panther-Gegenspieler Erik Killmonger höchstpersönlich – hier zu tun. Angesiedelt in den frühen Dreissigerjahren, erzählt diese herrlich eigenwillige Mischung aus Südstaaten-Sozialdrama, Southern-Gothic-Grusel und Action-Horrorfilm von den Gangster-Zwillingen Smoke und Stack (Jordan im Doppelpack), die aus Al Capones Chicago ins heimische Mississippi zurückkehren und dort einen Nachtclub eröffnen, in dem die Schwarze Sharecropper-Gemeinschaft ein paar Stunden lang Jim-Crow-Gesetze und Ku-Klux-Klan-Terror vergessen kann. Doch sobald die Sonne untergeht, lauert in der Dunkelheit noch eine ganz andere Gefahr...

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Cooglers Talent, gewichtige Ideen publikumswirksam aufzubereiten, ist in jeder Faser von Sinners erkennbar. Voller Selbstbewusstsein – und flankiert von den stimmungsvoll ausgeleuchteten Bildern von Kamerafrau Autumn Durald Arkapaw – wird hier adrenalin- und blutgetränktes, erotisch aufgeladenes Genrekino im IMAX-Format neben vielschichtigen historisch-politischen Anspruch gestellt.
Versatzstücke aus der Vampir-Popkultur koexistieren mit Elementen aus der Folklore Westafrikas, Irlands und der Choctaw-Nation. Mitreissende Tanzszenen, in denen das Raum-Zeit-Kontinuum durchbrochen zu werden scheint, verschwimmen mit Cooglers faszinierender Auseinandersetzung mit dem Blues, dem Gospel und der Frage, wie viel Assimilierung eine kulturelle Identität erträgt. Genüsslich brutale Beissorgien und Schiessereien fungieren als natürliche Erweiterung des komplexen, sehr spezifisch wiedergegebenen sozialen Gefüges im Mississippi der frühen Dreissigerjahre – einer nach Hautfarbe geordneten, von Klassenunterschieden modulierten Hierarchie aus Weissen Gutsherren, irischstämmigen Farmer:innen, chinesischen Immigrant:innen und Schwarzen Landarbeiter:innen, die mit Spielgeld bezahlt werden.

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Doch wie schon in Black Panther kann Cooglers inszenatorisches Handwerk hier nicht ganz mit seinem Einfallsreichtum mithalten. Stellenweise ist das wahrscheinlich gewissen Studiozwängen geschuldet – etwa bei der wie ein Trailer geschnittenen Eröffnungsszene oder in den diversen Momenten, in denen Voiceover und Rückblenden das bereits Offensichtliche unnötigerweise noch einmal erklären. Anderswo jedoch – gerade bei der Konstruktion von Schreckmomenten – macht sich Cooglers Unerfahrenheit im Horrorfach bemerkbar: Zwar gelingt es Sinners immer wieder, eine Atmosphäre des dräuenden Grauens aufzubauen; doch allzu oft bleibt es schliesslich bei generischen Jump-Scares und plumpen CGI-Scharmützeln. Da kommen die guten Darsteller:innen – allen voran Wunmi Mosaku als resolute Hoodoo-Schamanin und Delroy Lindo als abgelebter Blues-Man – und die Virtuosität, mit der sie ihren bewusst archetypischen Rollen Leben einhauchen, gerade recht.