Filmbulletin Print Logo
Jazz singer opening

Spiel mir das Lied vom Tod des Stummfilms

Wie Hollywood es vom Stumm- zum Tonfilm geschafft hat, darum ranken sich viele, bis heute immer wieder nacherzählte Legenden. Die Wahrheit jedoch ist sehr viel widersprüchlicher – und spannender.

Text: Martin Girod / 12. Dez. 2017

«When the legend becomes fact, print the legend», der berühmte Satz aus John Fords The Man Who Shot Liberty Valance (1962) erscheint als verquere medien­politische Patentausrede ganz aktuell. Der Praxis vieler Schreiber hat er schon lange Pate gestanden, ganz besonders in populären filmhistorischen Darstellungen. Einen idealen Nährboden für Legenden bot die Tendenz mancher Filmproduzenten, Geheimniskrämerei und Mythenbildung als Marketingstrategie einzusetzen. Solange sich die Filmgeschichtsschreibung vorwiegend mit inhaltlichen Interpretationen und ästhetischen Zuordnungen beschäftigte, technische und wirtschaftliche Aspekte dafür vernachlässigte, hatte sie diesen mythischen «Fakten» wenig entgegenzusetzen. Heute noch werden sie durch bequemes Copy-Paste-Abkupfern weiterverbreitet.

Besonders viele Legenden ranken sich um eine der radikalen Umbruchstellen der Kinematografie, das Aufkommen des Tonfilms. Das Kino selbst hat sie später mit breitenwirksamen Filmen befördert, von Singin’ in the Rain (1952) bis zu The Artist (2011). Und Filmjournalisten reichten die so schönen und eingängigen Geschichten gerne weiter. Dabei ist es, dank einigen fundierten historischen Arbeiten (u. a. von David Bordwell et al., Donald Crafton, Harald Jossé und Barry Salt) heute durchaus möglich, ein differenziertes Bild dieser entscheidenden Entwicklungsphase zu zeichnen, ohne selbst in die Archive eintauchen zu müssen …

Weiterlesen können Sie diesen Artikel in der Printausgabe von Filmbulletin.

Ausgabe 8/2017 nachbestellen

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 8/2017 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

Weitere Empfehlungen

Essay

01. Aug. 1990

Volkes Sprache – Volkes Stimme

Man muss von den Schweizern wissen, dass sie geläufiger Dialekt statt Mundart sagen, und zwar darum, weil sie sich gern und häufig von allem abgrenzen, was allzu deutsch scheinen könnte, indem sie gallisch-lateinisches Wortgut geradezu demonstrativ entlehnen. Es gibt dementsprechend südlich des Rheins keinen Mundart-, nur einen Dialektfilm.

Essay

14. Juni 2017

Die unmögliche Sekunde

Lav Diaz, zuletzt ausgezeichnet mit dem Goldenen Löwen in Venedig, ist in aller Munde. Bekannt wurde der philippinische Cineast für seine bis zu zehnstündigen Schwarzweissfilme, in denen er die lange Leidensgeschichte des philippinischen Volks porträtiert, vor allem in der Marcos-Ära. Aber diese Filme sind nicht einfach «lang», sondern lassen eintauchen in das Bleiben einer verdichteten Zeit unter Bedingungen des Leidens und des Wahnsinns.

Essay

12. Sep. 2017

Wahrnehmung auf Abwegen

Film ist kein Wissensstoff unter anderen, sondern eine Erfahrung. Die Zukunft der Filmbildung wird darin ­bestehen, den Film als das Wahrnehmungsexperiment erfahrbar zu machen, das er seit seiner Erfindung ist. Film ist ein Labor der Inno­vation, in dem man lernt, ­anders und Anderes wahr­zunehmen.