Im September 1981 endet die «The River»-Tournee von Bruce Springsteen und seiner E Street Band nach 140 schweisstreibenden Marathonkonzerten. Die Arenen waren gefüllt, das Publikum ekstatisch, am Radio läuft der Hit «Hungry Heart» rauf und runter. Und auch das Management ist zufrieden: Wenn nichts schiefgeht, wird das nächste Album den 32-jährigen Rocker aus New Jersey endgültig zum Weltruhm katapultieren. Und was sollte denn überhaupt schiefgehen? Springsteen (Jeremy Allen White) ist geerdet, sein Songwriting-Schaffensdrang ungebrochen, und in Jon Landau (Jeremy Strong) hat er einen treuen Manager und Freund, der ihm den Rücken freihält.
Doch im Inneren des Shootingstars brodelt es. Erinnerungen an seinen alkoholabhängigen und psychisch kranken Vater (Stephen Graham), der ihn und seine Mutter (Gaby Hoffmann) tyrannisiert, halten ihn wach – Kindheitstraumata verhaken sich mit der Vorstellung, dem Druck des Stardaseins nicht standhalten zu können. Mit diesen finsteren Gedanken verzieht sich Springsteen für den Winter in seinen Heimatort, in ein abgelegenes Haus mit Seeanstoss: Hier schreibt er düstere Songs, inspiriert von Terrence Malicks Badlands (1973) und den Kurzgeschichten von Flannery O’Connor, und nimmt sie im eigenen Schlafzimmer mit besserem Amateur-Equipment auf, ohne E Street Band, nur der «Boss» mit Gitarre und Mundharmonika.
© 20th Century Studios 2025. All Rights Reserved.
Die Affiche, die Regisseur und Autor Scott Cooper für Springsteen: Deliver Me from Nowhere aus einem Buch von Warren Zanes übernommen hat, ist klassisches Musik-Biopic-Futter: Die Zuschauer:innen wissen, dass diese Schlafzimmeraufnahmen schliesslich mehr oder weniger im Rohzustand als Kultalbum «Nebraska» veröffentlicht wurden, dass die Angst der Columbia-Teppichetage vor einer unvermarktbaren Springsteen-Folkplatte unbegründet war, und dass das mit dem Weltruhm dank «Born in the U.S.A.» (1984) dann doch noch klappte.
Doch Cooper, der sich mit gewissenhaften, intimen Charakterstudien wie Crazy Heart (2009) und Out of the Furnace (2013) einen Namen gemacht hat, gibt sich hier sichtlich Mühe, nicht zu tief in den Genreklischees zu versinken. Sein Drehbuch interessiert sich für die verletzte Psyche hinter «Nebraska», für den Mann, der sich fragt, ob seine Karriere ein einziger ausgestreckter Mittelfinger an seinen gehassliebten Vater ist, und ob es ratsam ist, unter diesen Vorzeichen zum Megastar aufzusteigen.
Dass hier mindestens zu Beginn des Projekts der Wunsch im Raum stand, etwas Substanzielleres zu liefern als die übliche Biopic-Einkaufsliste von nachgestellten Eckdaten und Anekdoten, zeigt schon die obligate Liebesgeschichte, die Springsteen hier mit der Kellnerin Faye (Odessa Young) eingeht: Im Vergleich mit anderen Musikermusen – zuletzt etwa Elle Fanning im Bob-Dylan-Film A Complete Unknown (2024) – erhält Faye eine klar definierte Persönlichkeit, ein eigenständiges Leben abseits der Liebelei, ja sogar eine selbstbewusste Meinung über ihre Beziehung zum berühmten Protagonisten.
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Anderweitig jedoch bleibt Deliver Me from Nowhere über weite Strecken im unproduktiven Niemandsland zwischen angedachtem Stilbruch und studiohöriger Konvention stecken. Sooft Kameramann Masanobu Takayanagi das Gesicht von Jeremy Allen White auch in atmosphärisch-körnige Nahaufnahmen setzt – oder Springsteens Jugenderinnerungen in harsches Schwarz-Weiss taucht –, es täuscht nicht darüber hinweg, dass der Film letztlich mehr über die Aufnahmegeräte und die hüllenlose Demokassette von «Nebraska» sagt als über das Innenleben seiner Hauptfigur. Daran ändert auch der kuriose letzte Akt wenig, in dem Cooper, nach gut 90 Minuten Albumtrivia, eine erzählerische Kehrtwende vollführt, das Interesse an «Nebraska» zu verlieren scheint und seine Aufmerksamkeit stattdessen auf eine ziemlich generische pop-psychologische Springsteen-Analyse verschiebt.
Es ist ein angemessen zwiegespaltenes Ende für einen Film, der hübsch aufbereitet ist und in Teilen sogar von potenziell anregenden Ideen ausgeht, es gleichzeitig aber auch für ratsam hält, dem Publikum die emotionalen Leitmotive mit dem Vorschlaghammer einzuprügeln – etwa, wenn Jon Landau in zwei zutiefst peinlichen Szenen zu hölzernen Monologen über «die Dunkelheit, die Bruce durchstossen muss», anhebt. In diesen Momenten findet selbst Odessa Youngs Faye ihr allzu klischeehaftes Gegenstück: Landaus namen- und beinahe stimmenlose Ehefrau (Grace Gummer), die in keiner anderen Szene vorkommt und einzig dazu da ist, einem musikhistorisch wichtigen Mann andächtig dabei zuzuhören, wie er ihr von einem anderen musikhistorisch wichtigen Mann erzählt.