Seit 17 Jahren schon ist das neue Superheld:innenkino eine der kulturell und kommerziell dominantesten Kräfte in der US-Blockbuster-Landschaft. Beginnt man die Zeitrechnung nicht mit Iron Man (2008) und dem Beginn des «Marvel Cinematic Universe», sondern mit Bryan Singers X-Men (2000), ist es schon ein Vierteljahrhundert.
Doch ausgerechnet mit Superman, dem Superhelden schlechthin, wollte es bislang nie so richtig klappen. Von der TV-Serie Smallville (2001–2011) über den Reboot-Versuch Superman Returns (2006) bis hin zu den brutaleren Zack-Snyder-Interpretationen Man of Steel (2013), Batman v Superman: Dawn of Justice (2016) und Justice League (2017): Irgendwas war immer. Zu simpel, zu brav, zu naiv sei der gutherzige kryptonische Kraftprotz und propere Wahl-Amerikaner für eine zynisch gewordene, von den USA desillusionierte Gegenwart, meinten die einen. Zu schwer wiege das Erbe von Christopher Reeve, der die DC-Comics-Ikone in den Achtzigerjahren viermal verkörperte, monierten die anderen.
© 2025 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved.
Und mit diesem «verfluchten» Material wollen die an Warner Bros. angegliederten DC Studios nun – nach den kritischen und finanziellen Bauchlandungen von Black Adam (2022), Shazam! Fury of the Gods (2023) und The Flash (2023) – frischen Wind in ihren Superheld:innen-Stall bringen. Kann das gut gehen?
Kurz gesagt: Ja, kann es. Regisseur und Drehbuchautor James Gunn, bekannt für seine Guardians of the Galaxy-Filme für den DC-Konkurrenten Marvel, bei DC inzwischen zum Studio-CEO und Franchise-Manager befördert, wirft diesen neuen Superman alias Clark Kent (David Corenswet) in ein kurzweiliges, erfrischend schnörkelloses «Abenteuer der Woche», wie es in einem Comicheft erzählt werden könnte: Superman hindert einen osteuropäischen Diktator (Zlatko Burić) daran, in dessen nahöstlich-südasiatisch konnotiertes Nachbarland einzufallen, und sorgt damit nicht nur für Negativschlagzeilen wegen angeblicher geopolitischer Einflussnahme, sondern zieht auch den Groll des Tech-Milliardärs Lex Luthor (Nicholas Hoult) auf sich. Die logische Konsequenz: Seine antarktische Eisfestung wird geplündert, sein Superhund Krypto entführt, seine Beziehung mit der Journalistin Lois Lane (Rachel Brosnahan) auf die Probe gestellt.
Wie schon in der Guardians of the Galaxy-Trilogie und dem durchaus gelungenen DC-Bösewicht-Ensemblestück The Suicide Squad (2021) schafft es Gunn, die spezifische Tonalität von Superheld:innen-Bildergeschichten für Kinder stimmig ins Mainstream-Blockbusterformat zu übersetzen. Soll heissen: Pathos ohne Selbstüberschätzung, Humor und Selbstironie ohne Publikumsanbiederung, Aufrichtigkeit ohne Moralkeule, Action, die beinhart und poppig-stilisiert zugleich ist. Und das alles mit der richtigen Prise Idealismus, schwiegersöhnlichem Charme und Superman’scher Hemdsärmeligkeit.
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Zugegeben, nicht alle Spielchen, die Gunn mit dem Superman-Mythos treibt, funktionieren einwandfrei. Clark Kents Arbeitsplatz, wie auch seine Romanze mit Lois Lane, bleibt bestenfalls eine grobe Skizze; die Seitenhiebe auf die Online-Trollkultur, mit der Gunn seit Jahren unfreiwillig intim vertraut ist, gehören zu den plattesten Witzen des Films; und die Inszenierung von Superman als Vorbild-Immigrant will nie so recht zu seiner Darstellung als Ein-Mann-Armee passen, die Menschen in Übersee per Präventivschlag vor Gewalt beschützt.
Doch wenn hier ein treudoofer Köter im Cape durch die Gegend fliegt und Schurk:innen beisst, Clark und Lois eine ernsthafte Diskussion führen, während sich die «Justice Gang» im Hintergrund mit einem interdimensionalen Tentakelmonster prügelt, und Nathan Fillion als Green Lantern die riesigen grünen Ofenhandschuhe auspackt, dann wird klar: In einem Genre, das vor lauter nostalgischer Kontinuitätshörigkeit zunehmend die Freude am Comic-Spektakel verliert, sticht Superman heraus, weil er das unterhaltsame Potenzial von Superheld:innenfilmen abseits von Sequel-Hooks und Multiversen offensichtlich verstanden hat.