Filmbulletin Print Logo
Girlhood3

Zwischen Coming-of-Age and Sisterhood

Frauenbündnisse vor und hinter der Kamera prägen das Kino einer der interessantesten französischen Filmemacherinnen der Gegenwart. Ihre Regie- und Drehbuch­arbeiten erkunden Probleme des Andersseins, fragen aber auch nach neuen Möglichkeiten des Zusammenhalts. Dabei erweitert sich der Blick sukzessive: von einer biederen Vorstadtwelt zu rauen Banlieues.

Text: Doris Senn / 15. Sep. 2019

Schon ihre allererste Regiearbeit war eine Wucht und schaffte es auf Anhieb in die offizielle Auswahl nach Cannes: La naissance des pieuvres (2007) – ein Coming-of-Age-Film über drei Mädchen vor dem Hintergrund eines Wasserballett-Trüppchens. Das Script dafür hatte die 1978 geborene Céline Sciamma zum Abschluss ihres Filmstudiums mit Fokus Drehbuch verfasst, als man ihr nahelegte, den Film selbst zu inszenieren, obwohl sie keinerlei Regieerfahrung, ja bislang nicht einmal einen Kurzfilm gedreht hatte.

La naissance des pieuvres erzählt authentisch, mit selten gesehener Intensität und fern jeglicher Stereotype vom Aufwachsen dreier fünfzehnjähriger Mädchen in einem Vorort von Paris: in Pontoise, wo Céline Sciamma selbst gross geworden ist. Zu den dreien gehören die schöne Floriane, der Star des Synchronschwimmgrüppchens, frühreif, umschwärmt von allen Jungs und entsprechend beneidet von den anderen Mädchen; die staksige Marie, die unausgesprochen in Floriane verknallt ist und unbeirrt ihren Weg einer Annäherung geht, auch wenn Floriane sie einzig als «beste Freundin» wahrnimmt. Und schliesslich die pummelige Anne, die alles tut, um bei den Jungs zu landen – viel zu enge Jeans anzieht, Stossgebete zum Himmel schickt oder den BH im Garten ihres Schwarms in einer Art Vodooritual vergräbt. Es geht ums erste Mal, um Körper und Körperwahrnehmung, um Anziehung, Liebe, Freundschaft. Es geht um die ersten Schritte ins Erwachsenenalter – wo Glück und Grausamkeit so nah beieinanderliegen, Hochgefühle neben Verzweiflung, Albernheit neben Abgeklärtheit. Es geht um Erotik, Sex – und ums Anderssein. Die offen lesbische Sciamma weiss, wovon sie spricht.[...]

Den ganzen Essay können Sie in der Printausgabe von Filmbulletin lesen: Ausgabe 6/2019 bestellen

Tomboy photo0

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 6/2019 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

Weitere Empfehlungen

Essay

13. März 2017

Zum Alien werden

Michael Shannon ist ein Schauspieler, dessen Aussehen und Spiel etwas Unbequemes, zuweilen auch Unheimliches hat. Bei Regisseuren wie Werner Herzog und Jeff Nichols zählt er zum bevorzugten Cast. Ein Blick auf einen Schauspieler mit einer ausserirdischen Schlagseite. (nur im Print)

Essay

14. Juni 2016

Über allen Wipfeln

Sie stehen in einem Garten, allein auf weiter Flur oder auf einem Friedhof. Sie erzählen Familiengeschichten und Kindheitserinnerungen. Sie sind Tore zu einer phantastischen Welt und Zeugen grausamer Wirklichkeit. Sie verbinden Mythologie und Religion. Sie künden vom Leben und vom Tod: Bäume.

Essay

13. Juni 2019

Unerträgliche Exzesse

Als ein Affekt, der nicht nur unseren Geist, sondern auch unseren Körper anspricht, stellt der Ekel die Emotionsmaschine Kino vor besondere Herausforderungen. Mitverhandelt in den Ekel­bildern des Horror-, aber auch des Expe­rimentalfilmschaffens werden stets Grenzverletzungen, die auf die Materialität unseres Körpers verweisen; und auf die verletzliche Haut des Films.