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MPS – Jazzin’ the Black Forest

Elke Baur erzählt in ihrem Dokumentarfilm MPS – Jazzin’ the Black Forest von einem einzigartigen Stück Kulturgeschichte. «MPS» ist die Abkürzung von «Musikproduktion Schwarzwald» und geniesst als Plattenlabel in Jazz-Kreisen höchstes Ansehen. Es gilt als das deutsche «Blue Note».

Text: Herbert Spaich / 01. Apr. 2006

«MPS» ist die Abkürzung von «Musikproduktion Schwarzwald» und geniesst als Plattenlabel in Jazz-Kreisen höchstes Ansehen. Es gilt als das deutsche «Blue Note». Die siebenhundert zwischen 1968 und 1983 von MPS veröffentlichten Platten werden heute zu Höchstpreisen gehandelt. Neben deutschen Musikern wie Albert Mangelsdorff oder Wolfgang Dauner verlegte MPS auch Oscar Peterson, Duke Ellington und Ella Fitzgerald. Elke Baur erzählt in ihrem Dokumentarfilm MPS – Jazzin’ the Black Forest von einem einzigartigen Stück Kulturgeschichte. Dabei war «MPS» im Grunde das «Nebenprodukt» einer Pleite: Gründer Hans Georg Brunner-Schwer (Jahrgang 1929) war Teilhaber von SABA, einem der über Jahrzehnte wichtigsten deutschen Rundfunkgerätehersteller. Die Anfänge des Villinger Familienunternehmens «Schwarzwälder-Apparate-Bau-Anstalt August Schwer Söhne GmbH» reichten bis in das frühe neunzehnte Jahrhundert zurück. Familienzwistigkeiten in der dritten Generation und gravierende Fehler in der Unternehmensplanung – vor allem durch Hans Georg Brunner-Schwer – hatten SABA in den sechziger Jahren ins Aus manövriert. Die Firma wurde grösstenteils in die USA verkauft, und «Millionen-Schwer» konnte sich in seiner Villinger Villa seiner eigentlichen Profession widmen, dem Jazz. Zu Hause und auf dem SABA-Firmengelände hatte Brunner-Schwer Aufnahmestudios mit Weltstandart einbauen lassen. Seit 1963 war unter anderem Oscar Peterson ständiger Gast bei ihm im Schwarzwald. Von den ungeliebten Aufgaben in der SABA-Firmenleitung ledig, konzentrierte sich Brunner-Schwer ab 1968 auf die Produktion exzellenter Schallplatten mit den Grössen des internationalen Jazz auf höchstem technischem Niveau. Villingen galt dank MPS schon bald als eine der ersten Adressen in der Branche.

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Dabei liess Brunner-Schwer die Besuche der Stars vor, während und nach den Aufnahmen für die Schallplattenproduktion mit einer professionellen 16mm-Kamera filmen. Auf das grösstenteils erhaltene Material konnte Elke Baur für ihre Dokumentation MPS – Jazzin’ the Black Forest zurückgreifen. Allein die Kompilation dieser einzigartigen Zeitdokumente gibt dem Film seine Bedeutung. In einer überzeugenden Mischung aus Fingerspitzengefühl und Chronistenpflicht beschreibt die versierte Regisseurin auch die heiklen Kapitel einer Firmengeschichte, die immer wieder hinter dem Glanz des MPS-Labels zum Vorschein kommen. Neben Musikern wie Mangelsdorff und Dauner stand auch Hans Georg Brunner-Schwer Elke Baur als Zeitzeugen zur Verfügung. Tragischerweise ist Brunner-Schwer während der Dreharbeiten an den Folgen eines Verkehrsunfalls gestorben – er wurde 2004 auf einem Zebrastreifen in der Villinger Innenstadt überfahren.

Den geheimen Blues der «Musikproduktion Schwarzwald» hat Elke Baur in MPS – Jazzin’ the Black Forest eingefangen: in einem spannenden Film, der die Musik des Jazz, die Passion eines Lebens und eine Landschaft, in der man diese Musik nicht vermutet, auf einen kunstvollen Nenner bringt.

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Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 3/2006 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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