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Khook

Die schwarze Komödie um einen ego­manischen Regisseur und eine Mordreihe unter Kollegen schmuggelt unter der Maske der absurden Farce auch eine politische Botschaft ins iranische Kino.

Text: Philipp Stadelmaier / 27. Aug. 2018

In Teheran werden reihenweise Filmemacher umgebracht. Die meisten waren Freunde des berühmten iranischen Regisseurs Hasan Kasmais, weshalb ein englischer Sender ein Interview mit ihm machen möchte. Bei der Gelegenheit bloss nicht über das Arbeitsverbot sprechen, warnt ihn seine Tochter, denn das Regime hat ihm die Dreh­erlaubnis für Kinofilme entzogen. Es sind keine einfachen Zeiten für den Filmemacher. Seine Starschauspielerin will nicht warten, bis Hasan wieder arbeiten darf, und entschliesst sich, im nächsten Film seines ärgsten Konkurrenten mitzuspielen. Hasan ist zugegebenermassen nicht der einfachste Mensch. Warum er auf der schwarzen Liste gelandet ist, erfahren wir nicht. Aber es wird deutlich, dass sich der Mann mit Vollbart und AC/DC-T-Shirt durchaus als Aufrührer, Revoluzzer und Anarchoregisseur versteht. Und auch, dass dieser Mann, den Mutter, Tochter und Assistentin umsorgen, ein aufgeblasenes Ego hat. Weswegen er sich bald fragt, warum er in dieser Mordserie an bedeutenden Filmemachern bislang verschont geblieben ist. Ist er etwa nicht auch ein wichtiger Regisseur, ja, der wichtigste? «Der Mann bringt Leute um – ohne jeden Sinn fürs Prestige», schimpft er. Würde man ihn töten, hätten die Leute wenigstens wieder Respekt vor ihm.

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Im Moment ist Hasan dazu verdammt, Werbe­spots zu drehen, zum Beispiel für ein Pestizid, in dem als rote Kakerlaken verkleidete Menschen von einer Gaswolke eingehüllt werden und schliesslich zu Boden sinken. Ein treffendes Bild auch für die diffuse Wolke des Todes, die über Hasans Leben hängt und die Sicht darauf trübt, warum diese Morde überhaupt stattfinden. Sicher, die Opfer sind ausnahmslos Filmemacher, aber was haben sie getan, um den Tod zu verdienen? Es wird darauf hingewiesen, dass sie «ganz unterschiedliche politische und soziale Ansichten» gehabt hätten – als wollte damit auch der Khook-Regisseur Mani Haghighi die politische Harmlosigkeit seines eigenen Films unterstreichen. Man wüsste auch nicht, welche politischen und sozialen Ansichten der fiktive Regisseur Hasan vertritt, abgesehen davon, dass er sich zuweilen schweinisch verhält – wie ein typischer Künstlermann eben.

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Filmemachen, das bedeutet für Hasan, poppige Werbespots zu drehen, in denen Menschen rote Käferkostüme anziehen. Für Hasans Konkurrenten Sohrab Saidi bedeutet es, ein poesieträchtiges Histo­rienspektakel zu inszenieren – auch hier sind alle prächtig verkleidet. Und was bedeutet Filmemachen dann für Mani Haghighi? Eben genau das: Kostüme und Verkleidungen, also Maskeraden zu zeigen, um einen Schleier über seinen Film zu legen, wie die Gaswolke im Werbeclip. Um klarzumachen, dass man im Reich der Verkleidungen und der Fantasie bleibt – und keine soziale und politische Realität streifen wird. Wenn Hasans Tochter zu Anfang sagt: «Sprich nicht über dein Berufsverbot!» – dann ist dies gleichzeitig auch eine Vorgabe für Haghighis eigenen Film.

Andererseits kann man sagen, dass Haghighi die soziale und politische Realität zwar maskiert, so aber unter der Maske dann doch auf die Situation von Filmeschaffenden im Iran zu sprechen kommt. Natürlich lässt sich der Film als soziale und politische Parabel lesen und die Morde als Metaphern für die Arbeit der iranischen Regierung, die Filmemachern das Arbeiten verbietet. «Diese Leute hassen uns einfach», schimpft der Protagonist, ohne zu wissen, ob es nur einen Mörder gibt oder mehrere, womit es die Allegorie von «diesen Leuten» bis zu «denen in der Regierung» nicht mehr besonders weit hat.

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Alles in Khook ist Metapher, aber darf als solche nicht erkennbar sein, um unter dem Radar der – sehr realen – iranischen Zensurbehörden zu bleiben. Um jeden Verdacht zu verschleiern, muss Mani Haghighi einen anderen Weg gehen: Er ersetzt Hasans Konflikt mit dem Staat durch einen Konflikt mit dem Publikum. Als Hasan mitbekommt, dass «seine» Schauspielerin mit seinem Konkurrenten dreht, droht er im Zorn, sie umzubringen – jemand filmt die Szene und stellt sie ins Netz. Das Video geht viral, Hasans Ruf ist ruiniert, und viele halten ihn nun für den Mörder. Um sich zu verteidigen, dreht Hasan seinerseits ein Video, in dem er seine Unschuld beteuert. Darin zeigt sich die Tragik von Hasans beruflicher Situation: Er erreicht sein Publikum nicht mehr im Kinosaal, sondern muss ein kleines Video drehen, in dem er sich vor dem Internetpöbel verteidigt. In seiner Videobotschaft sagt er, er habe den Leuten eigentlich «gar nichts zu erklären». Dies lässt sich als Hinweis auf sein Arbeitsverbot deuten: Solange sie keine Filme von ihm sehen können, kann er sich den Leuten als Künstler nicht mehr mitteilen.

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So entspinnt sich der Film zwischen Verschleiern und Andeuten. In einem Drehbuch von Hasan, das im Film einmal auftaucht, gibt es eine spannende Formulierung: «doppeldeutige Stille». Stille oder Schweigen können doppeldeutig sein: Entweder man verschweigt «etwas» wie: Der Staat verbietet mir zu arbeiten; oder aber man schweigt, weil es schlichtweg nichts zu sagen gibt. Haghighi muss beides zusammenführen. Wenn am Ende der Mörder unter der Maske eines Schweins auftaucht, ohne dass wir erfahren, wer dahintersteckt, dann weil Haghighi uns den Mörder eben nur als Maske präsentieren kann. Dahinter mag jemand stecken – zum Beispiel der Staat –, aber zugleich auch niemand. Das Spiel mit der Maske verweist nicht nur auf die Möglichkeit einer versteckten Kritik, sondern immer auch auf nichts. Das ist die geniale Volte dieses Films, seine Methode, wie er den Fallstricken der Zensur entkommt.

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Was Hasan betrifft, so hat er am Ende von Khook wieder Grund zum Lachen. Er hat den Kampf mit seinem Publikum gewonnen und wird als Held gefeiert. Er hat seine Botschaft erfolgreich verbreitet. Es ist zugleich die Botschaft eines iranischen Filmemachers, der schweigend und maskiert vorgehen muss. Ob diese Botschaft verstanden wurde, ist keineswegs sicher. Hasan erringt, wie Haghighi, einen in jeder Hinsicht bitteren Sieg.

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 5/2018 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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