Terminator: Dark Fate

Der neue Terminator-Film ist der drittbeste der Serie – immerhin. Dennoch lohnt es sich, die Figuren eher als ihr Handeln in den Blick zu nehmen.
Ein weibliches Dreigestirn illuminiert den neuen, sechsten Terminator-Film. Da ist zum einen und zunächst Grace (MacKenzie Davis). Sie ist eines der Wesen, die in der Blockbusterserie andauernd aus der Zukunft in die Gegenwart krachen, per Blitzeffekt und splitternackt, allerdings gerade nicht wie Gott sie schuf. Denn die Besucher_innen aus dem bösen Morgen sind für gewöhnlich komplett oder, wie in diesem Fall, teilweise synthetische Geschöpfe. Grace nun macht sich schnurtracks auf zu Dani Ramos (Natalia Reyes), zu deren Wächterin sie bestimmt ist. Dani, die zweite im Heldinnenbund, lebt in Mexico City und ist eine jener Auserwählten, von denen es im Terminator-Franchise inzwischen ebenfalls eine ganze Menge gibt: junge Frauen, die ein durch und durch normales Leben zu führen scheinen, deren Überleben sich allerdings (das ist die zentrale und nach wie vor faszinierende, im neuen Film allerdings vergleichsweise unspektakulär abgehandelte, Zeitreiseparadoxie, auf der die Terminator-Filme gründen) als für den Fortbestand der gesamten Menschheit unbedingt notwendig herausstellen wird.
Zunächst nehmen Grace und Dani alleine den Kampf gegen einen ebenfalls aus der Zukunft anreisenden High-Tech-Killerroboter auf, der – ein weiteres Mal: keine Überraschung für Terminator-Veteran_innen – in der Lage ist, verschiedene menschliche Gestalten anzunehmen und ausserdem die Angewohnheit hat, im Eifer des Gefechts erst zu einem quecksilberartigen Matsch auseinander- und anschliessend wieder zur Humanform zusammenzufliessen. Im Moment höchster Not vervollständigt sich das Dreigestirn. Auf einer Autobahnbrücke (seit jeher ein Lieblingsschauplatz grossformatiger Actionfilme) entsteigt eine sonnenbebrillte Frau von fortgeschrittenen Jahren ihrem Jeep, greift zum Raketenwerfer und legt auf den Quecksilberbösewicht an. Dieser perfekt getimte, wuchtige Auftritt ist der eine grosse ikonische Moment, der Terminator: Dark Fate der Terminator-Saga hinzufügt: Linda Hamilton, Hauptdarstellerin der ersten beiden Filme, danach allerdings knapp drei Jahrzehnte aus dem Franchise und zuletzt auch weitgehend aus Hollywood verschwunden, hat immer noch die fetteste Waffe von allen.

Wie schlägt sich, um der Sortierpflicht genüge zu tun, das neue Abenteuer ansonsten gegenüber den Vorgängern? Terminator: Dark Fate sei, ist vielerorts zu lesen, der drittbeste Teil der Serie. Das kommt schon hin – der Abstand zu den beiden Cameron'schen Urfassungen ist zwar leider beträchtlich, aber anders als den Episoden drei bis fünf ist es Tim Millers Film gelungen, das zwischenzeitlich ziemlich wild ins Kraut geschossene Cyborg-Zeitreise-Weltuntergangsdurcheinander in eine halbwegs kompakte, in sich schlüssige Form zu giessen. Actionreich ist der Film sowieso; nur sind die Feuergefechte und Autoverfolgungsjagden leider nicht allzu gut inszeniert, gegen Ende, wenn die zunehmend chaotischen und digital-hässlichen Scharmützel sich in die Lüfte verlagern, sind sie sogar zunehmend katastrophal, fast schon Marvel-Cinematic-Universe-schlecht geraten. Es lohnt jedenfalls, sich eher an die Figuren als an ihr Handeln zu halten.
Drei unterschiedliche Frauenfiguren, drei unterschiedliche Frauenkörper, drei unterschiedliche Konstellationen von Wehrhaftigkeit und Verletzlichkeit. Hamiltons Sarah Connor ist zur einsamen, nur widerwillig zum Teamwork bekehrbaren Wölfin gealtert und in fast jeder Szene des Films bis an die Zähne bewaffnet. Selbst die Gesichtsfalten trägt sie wie eine Rüstung, ihre traumatische Vergangenheit ist und bleibt hermetisch in ihr eingeschlossen, als negatives Zentrum ihres Selbst wird ihr die Erinnerung an den Verlust des Sohns zur Quelle einer kalten Stärke. Später im Film gesellt sich ihr ein altbekannter männlicher Körper zu; der von Arnold Schwarzeneggers T-800. Der Originalterminator ist allerdings anders gealtert als seine alte Bekannte, fast gegenläufig sogar: Wo Connor sich in ihrem Auftreten einer Kampfmaschine gleichmacht, hadert der T-800 mit seiner einstmaligen Programmierung und identifiziert sich, soweit es nur geht, mit seiner selbstgewählten neuen Rolle eines leicht schusseligen texanischen Familienvaters.
(Eine Nebenbemerkung: Es liegt auf der Hand, Terminator: Dark Fate neben Rambo: Last Blood zu stellen – zwei Erzählungen über eine überkommene Achtzigerjahremännlichkeit, die sich in die texanische Wildnis und also gleichzeitig ins alleramerikanischste aller Amerikas zurückgezogen hat und die jetzt doch noch einmal aktiviert wird, um einer von south of the border herrührenden Bedrohung Herr zu werden. Politisch sind die Filme allerdings Antipoden: Beide spannen ihre plakative Actionfilmdiagnose der trumpistischen Gegenwart nicht zufällig zwischen Mexiko und den USA auf, Terminator tut dies von links, Rambo von rechts.)

Grace ist die grösste, breitschultrigste und agilste der drei Frauen, aber auch die fragilste. Das Menschliche und das Maschinelle an ihr fügen sich nicht ganz passgenau zusammen: Man sieht die Nähte auf ihrer Haut, manchmal scheint auch das darunterliegende Kunststoffnetz durch. Zur todbringenden, amazonenartig statuesken, androgynen Kriegerin wird sie immer nur schubweise, medikamentenunterstützt. Grace' Körper befindet sich zwischen Energiestoss und totaler Erschöpfung in einem permanenten Ausnahmezustand, sie hat sich selbst, aus freien Stücken, aus allen biologischen, biografischen und historischen Kontinuitäten herausselektiert und lebt nur noch im Moment. Dass sie um die Konsequenzen dieser irreversiblen Entschiedung weiss, macht sie zu einer der tragischsten Kinofiguren des Jahres. Sehr gern hätte ich sie in einem besseren, in ihrem eigenen Film gesehen.
Dani schliesslich ist fast eine Invertierung von Grace: Dem Augenschein nach ist sie die schwächste, verletzlichste der drei, tatsächlich aber übersteht sie fast alle Gefechte mühe-, und nach einigen wenigen, schnell überwundenen Hemmungen, auch skrupellos. Mit traumwandlerischer Sicherheit bewegt sie sich noch durch den wüstesten Kugelhagel. Anders als Sarah Connor muss sie das Menschliche in sich nicht abkapseln: Ihre steigende Wehrhaftigkeit resultiert direkt und unproblematisch aus ihrer gerechten Wut über den Tod des Vaters und des Bruders. Dani ist die uninteressanteste der drei Frauenfiguren, aber auch am deutlichsten eine Tochter unserer Zeit – ein stromlinienförmiges Vehikel für weibliche Handlungsmacht, ähnlich wie zuletzt Carol Danvers/Captain Marvel oder auch die Protagonistinnen der neuen Star Wars-Filme. In ihrer pragmatisch-jugendlichen, weitgehend humorlosen Sportlichkeit sind diese neuen Frauenhelden letztlich genauso austauschbar wie die markig Sprüche klopfenden Männerhelden, in deren Fussstapfen sie treten. Was in den neuen Filmen allerdings zumeist auf der Strecke bleibt, ist der Sex; weibliche Actionstars haben selten love interests, motiviert werden sie nicht von der Liebe, sondern vom Tod der Männer. Es ist die Bestimmung von Heldinnen wie Dani, zu Ikonen zu werden, zu Vorbildern, zu Identifikationsfiguren – und sonst zu gar nichts.

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