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Die Reise des Bashô

Uralter Teich. Ein Frosch springt hinein. Plop!

Text: Martin Walder / 02. März 2019

«Ich bin ein Leser!», sagt der Filmemacher Richard Dindo. Immer schon haben sich seine Filme an Büchern, an Tagebüchern, inspiriert, und auch oft an Bildern. Dann sind sie besonders eindringlich in der Art, wie die beiden Bildwelten, die eigene und die vorgefundene in die Tiefe unserer Wahrnehmung zusammenspielen: bei naiven Malern der Ostschweiz, der jüdischen Malerin Charlotte Salomon, dem Winterthurer Aktivisten Aleks Weber, bei Matisse …

Zu Texten sind die Bilder erst zu finden und der Mehrwert filmisch zu eruieren. In dieser Tradition von Dindos inzwischen ausladendem Œuvre steht sein inzwischen vorletzter Film Die Reise des Bashô, der, an den Solothurner Filmtagen uraufgeführt, nun ins Kino kommt. Der japanische Dichter Matsuo Bashô (1644–1694) wird verehrt als der Vater der prägnanten, mit Pinsel und schwarzer Tinte kalligrafisch zu Papier gebrachten Dreizeiler-Poesie des Haiku. Er ist nicht alt geworden, doch «die Poetisierung der zen-buddhistischen Erfahrung und Tradition» (Dindo) seiner letzten Lebensjahre, die Bashô auf seinen im Tagebuch festgehaltenen Wanderungen durch die japanische Landschaft erfährt, öffnen die Tür zur filmischen Meditation.

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Der Film zeigt, was Bashô auf seinen Wanderungen sieht, erlebt, was er an Menschen begegnet, öfters krank und geschwächt auch erleidet. Im Reisebericht ist es protokolliert und in den Haikus dichterisch kondensiert: «Uralter Teich. Ein Frosch springt hinein. Plop». Der Frosch, herrlich smaragdgrün schimmernd im Wasser, ist auch im Film, der Bashôs innere und äussere Bildwelten rekonstruiert. Ein schöner älterer Mann mit Silberbart und in Mönchskleidung stellt ihn dar (Hiroaki Kawamoto ist kein Schauspieler, sondern Vorsteher eines Klosters) und lässt uns bis zum stillen Ende auf einem kargen Lager schweigend Bashôs Blick teilen. Er lädt uns gewissermassen ein, mit seinen Augen die Welt zu betrachten, in stiller Konzentration zu beobachten (etwa, wie Tee zeremoniell zubereitet wird), lässt uns Schüler, Freunde und Geschwister oder zwei Kurtisanen begegnen und durch seine Präsenz als blosse Figurine, nicht als Darstellerrolle, meditative Langsamkeit in uns einsickern. Die Menschen um Bashô sieht man sprechen, doch man hört sie gar nicht. Zu hören sind einzig Bashôs Texte. So strahlt der Film seine grosse Ruhe aus.

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Dindo hat immer wieder mit darstellenden Referenzfiguren gearbeitet, unterschiedlich plausibel im Resultat solcher Fiktionalisierung, die die Methode bezweckt. Die wiederholte Tautologie zwischen Texten und den vom im Japan lebenden Schweizer Kameramann Roger Walch in reiner Schönheit kadrierten Bilder scheint gewollt: Ist vom vollen Mond die Rede, kommt der volle Mond auch ins Bild. Und so fort. Das kann irritieren; entweder wir akzeptieren es, oder eben nicht. Und einmal mehr mag sich dann die Frage einschleichen: Fehlt dem Dokumentaristen Dindo letztlich ein Vertrauen in die Fiktionalisierung, die er auf seine Weise stets anstrebt? Was so viel hiesse wie: Fehlt ihm Vertrauen in unsere eigene, des Publikums innere Wahrnehmung und Ein-Bildungskraft, die der Film stimuliert? Der Eindruck nistet sich ein, die wunderschöne «japanische» Ikonografie dieses Films solle sich wohl selbst genügen und möchte doch mehr sein, als sie ist: illustrativ.

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Dann ist da nicht nur das Bild. Die Reise des Bashô existiert in drei Sprachfassungen: deutsch, französisch und englisch, um auf störende Untertitel im Bild verzichten zu können. Man kann da fast nicht umhin, von drei verschiedenen Filmen zu sprechen, wenngleich «Bashôs» Stimme in allen Fassungen in einer tiefen, sonoren Intimität gründet, die nur sehr sparsam mimetisiert, näher quasi an der Kalligrafie denn in einem erzählenden Gestus verharrt. Alle drei sind es ältere, gesetzte Schauspielerstimmen: in französischer Glätte Bernard Verley und in sattem Timbre mit nur diskreter individueller Modulation Christian Kohlund auf Deutsch. Dagegen klingt die zart körnige Tiefe des Amerikaners Jimmy Shuman vergleichsweise leichter, schwebender; sie webt sich, zusammen auch mit dem unauffällig begleitenden Musikscore, in meinem Empfinden besonders gut in die erlesene Textur des Films ein.

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