Space Force

Steve Carell, Greg Daniels
Space Force ist nicht Michael-Scott-im-All, fährt dafür mit detaillierterer Figurenzeichnung und einem Schauspieler_innen-Ensemble auf, das sich sehen lassen kann.
Es ist ein schmaler Grat, auf dem die Serie wandern möchte: Die Macher_innen von The Office versuchen wohl, auch mit Space Force an das komödiantische Genie des Vorgängers anzuknüpfen. Gleichzeitig will die neue Serie mit dem Zeitgeist gehen, also eher im Netflix-Stil auftreten. Figuren werden sorgfältig entwickelt und ein Spannungsbogen über die zehn Episoden der ersten Staffel gespannt, die seit Ende Mai auf Netflix verfügbar ist.
Steve Carell tritt in ihr als General Mark R. Naird auf. Er ist Leiter der brandneuen fünften Sektion der amerikanischen armed forces: die Space Force. Das sorgt zunächst für viel Häme und Eifersucht bei seinen Kolleg_innen von der Army, der Navy, der Coast Guard etc., setzen diese doch anstelle von utopischen Projekten zur Besiedelung der Galaxie eher auf traditionelle Expansionsmethoden, auf brute force.

Hier kommt ein Satz, der erst seit 2016 Sinn ergibt: Das ist natürlich direkt aus dem Leben gegriffen. Die Serie startet nämlich just in dem Moment, als Donald Trump im White House die Flagge für sein Egoprojekt mit gleichem Namen entfaltet, wahrscheinlich um einmal mehr von seinem inkompetenten Treiben auf diesem Planeten abzulenken. Die Flaggenenthüllung sorgte zugleich für hochgezogene Augenbrauen, da sie für den Geschmack vieler Journalist_innen etwas zu sehr an die Kultserie Star Trek erinnerte.
So eng sind Realität und Fiktion also momentan verzahnt, und in Carells und Co-Creator Greg Daniels Serie gehts in etwa so zu und her, wie man es sich auch von Trumps Vor-haben verspricht. Das ist der Witz der Serie, in der man einen ebenfalls konstant tweetenden POTUS, der sich besonders gute Beziehungen zu Russland wünscht, nie zu Gesicht bekommt.
In ihr startet der erstrangige Militärmann Naird gerade das Projekt Space Force und muss dafür von Washington ins wenig glamouröse Wild Horse, Colorado, ziehen. Denn da wird seine neue Abteilung der Streitkräfte gerade aus dem staubigen Boden gestampft. Von Anfang an scheinen die Karten gegen das Vorhaben gemischt zu sein: Nichts bleibt während einer eigentlich geheimen Mission geheim, und Tierschützer_innen beharren darauf, die Wüste Colorados zuerst von allen Eidechsen zu befreien, bevor überhaupt irgendwelche Testflüge stattfinden können.
Doch Naird ist eben Idealist und glaubt an die Mission, bis 2024 boots on the moon zu haben. In steifer Haltung und von Carell dennoch mit viel Menschlichkeit versehen, versucht er, sich allem zu widersetzen, was seinen Weg zum Erfolg so steinig macht.

Für besonders viel Unterhaltung sorgt er im Tandem mit John Malkovichs Dr. Adrian Mallory, dem wissenschaftlichen Berater Nairds. Auf ihn und seine Funktion blicken die anderen armed forces besonders verächtlich, ist doch die Space Force, im Gegensatz etwa zur Army, der Zweig, der besonders eng mit so schrulligen Wissenschaftler_innen wie Mallory zusammenarbeiten muss.
Während die anderen breitschultrig in Kampfstiefeln marschieren, wirkt das Personal der Space Force eher wie die Besetzung einer Off-Broadway-Show. Dabei hilft, dass die Serie auch nebst Carell und Malkovich mit komödiantischem Spiel brillierenden Nebendarsteller_innen wie Ben Schwartz, Lisa Kudrow, Jimmy O. Yang oder Roy Wood Jr. besetzt ist.
Die Menschlichkeit, mit der Carell den Möchtegern-Despoten schon in The Office spielte, ist auch hier wohl das Beste in einer Serie, die dank zahlreichen (wenn auch schön ausgestatteten) Handlungsorten und melodramatischen Handlungsmomenten voller sich andeutender Konflikte doch nur schwer ins Rollen gerät. Spätestens ab Folge vier kommt die Serie aber zu sich selbst; die vorab sorgfältig angelegten Figurenkonstellationen und Settings tragen ab hier komödiantisches Potenzial.
Space Force mag – mit anderem Tempo, anderer Klangfarbe – daher vor allem die Fans, die sich auf Michael-Scott-im-All gefreut haben, wohl enttäuschen: Vergleichsweise wenig cringe comedy findet hier statt, nicht oft muss man laut rauslachen, wie man es beimden Bürogummis noch unweigerlich machen musste. Vielleicht sind wir noch froh darum, könnte Space Force doch bei einer zweiten Trump-Amtszeit geradezu prophetisches Potenzial haben – we will see.
Der Film ist seit Ende Mai auf Netflix verfügbar.
Idee: Steve Carell, Greg Daniels; Ausführender Produzent: Howard Klein; Musik: Carter Burwell; Darsteller_in (Rolle): Steve Carell (General Mark R. Naird), John Malkovich (Dr. Adrian Mallory), Ben Schwartz (F. Tony Scarapiducci), Diana Silvers (Erin Naird), Tawny Newsome (Angela Ali); Produktion: Netflix, USA 2020.
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