Run

Aneesh Chaganty
Mit Subtilität hat dieser jüngste Sarah-Paulson-Thriller wenig am Hut, dafür liefert er Unterhaltung für den Popcorn-Abend. Willkommen im weiblichen Wahnsinn.
Run hat nichts mit Understatement zu tun. Schon in den ersten Filmsekunden wird das klar: Da ist Sarah Paulson und viel Geschrei, ein Krankenhaus, eine Frühgeburt. Das Tempo: full on. Dann, siebzehn Jahre später, ist man sich nicht mehr sicher, wie es um die mütterliche Liebe steht: Tochter Chloe (Kiera Allen) sitzt im Rollstuhl, und Paulson als Mutter Diane erscheint wohl sichtlich darum bemüht, ihrer Tochter ein schönes Leben zu ermöglichen und opfert dafür das eigene, aber scheint auch stets nur einen Schritt vom mentalen Zusammenbruch entfernt zu sein. Als Zuschauer*in muss man sich fragen, wer hier nun wen in dieser verstrickten Mutter-Tochter-Beziehung gefangen hält.

Weiblicher Wahnsinn hat immer eine spezielle Anziehung: Oft knapp an der Misogynie vorbeischrammend, lauert in den hochtheatralischen Performances dieser Sparte aber auch das wunderbar Theatralische, und mit ihm eine gestische Befreiung. Die Hauptdarstellerinnen dürfen mit Schwung unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigten, zu was Mütter, Stiefmütter, Töchter, Tanten, Nachbarinnen alles fähig sein könnten. Das alles grenzt stets an Selbstparodie, und das ist es, was Spass macht.

Und klar: Das hier ist nicht What Ever Happened to Baby Jane, dafür fehlt es dem Katz-und-Maus-Spiel doch etwas an Geschick und Charme. Für das müsste man eine Grande Dame à la Bettie Davis auf den Plan rufen, und den Schlag an Schauspielerinnen gibt es so nicht mehr. Paulson passt dennoch perfekt als mögliche Tyrannin, als die sie spätestens seit Ratched, einer Serie über die sadistische Krankenschwester aus Ken Kenseys «One Flew Over the Cuckoo’s Nest», typecasted wird.

Run steht in dieser reichen kinematografischen Tradition, erscheint in Sachen Inszenierung dafür geradezu handelsüblich. Auch mit den Themen um (psychische) Krankheiten geht der Film wenig sensibel um. Dafür langweilt er sein Publikum nicht mit allzu hohen Ansprüchen und will neunzig Minuten lang schlicht unterhalten. Und Chagantys Film scheut sich nicht davor, ab und an auch – bei aller Spannung – witzig sein zu wollen. Casual fun eben, für den Popcorn-Samstagabend.
START 04.02.2021 REGIE Aneesh Chaganty KAMERA Hillary Spera SCHNITT Will Merrick DARSTELLER*IN (ROLLE) Sarah Paulson (Diane Sherman), Kiera Allen (Chloe Sherman), Sara Sohn (Nurse Kammy) PRODUKTION Lionsgate, USA 2020 DAUER 90 Min. VERLEIH Ascot Elite STREAMING iTunes, ex libris, Google Play, Teleclub etc.
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