Ein Virus, das sich von einem Labor der Universität Cambridge über die Britischen Inseln verbreitet hat, versetzte in 28 Days Later (2002) respektive 28 Weeks Later (2007) Infizierte in rasende Wut und machte sie zu schreienden Kannibal:innen. In 28 Years Later kehren diese Monster nun auf die Leinwand zurück. Der Film erzählt von einer kleinen, abgeschotteten Gruppe von Überlebenden, die sich auf einer Insel vor Schottland vom Desaster fernhält. Nur manchmal besuchen Männer das infizierte Festland – knapp drei Jahrzehnte nach dem Ausbruch ist man offensichtlich mutig geworden. So mutig, dass Jamie (Aaron Taylor-Johnson) seinen erst zwölfjährigen Sohn (Alfie Williams) auf die nächste Exkursion mitnehmen möchte. So beginnt die Heldenreise des jungen Spike, der nun seinen eigenen Weg durch die Apokalypse finden muss.
Der Zeitpunkt, zu dem Regisseur Danny Boyle und Drehbuchautor Alex Garland ihre Horrorgeschichte weitererzählen, scheint richtig gewählt zu sein: Corona und Brexit haben in den 23 Jahren seit dem Erscheinen des ersten Films die Welt verändert. In der Attitüde der neu errichteten Mini-Zivilisation, die sich in 28 Years Later schamlos selbst feiert und alles Fremde fernhalten will, spiegeln sich die Erfahrungen als kritische Gesellschaftssatire.
Dass Garland (Ex Machina, Men, Civil War) und Boyle (Trainspotting, The Beach, Slumdog Millionaire) zum Filmemachen immer mal wieder zusammenfinden, wundert nicht. Beide verbindet eine offensichtliche Lust am Kontroversen. Und beide drehen keine Filme aus Nostalgie oder als Hommage an goldene Kinojahre, sondern weil sie ihr Umfeld mit ästhetischer Schlagkraft, einem Schüsslein Skandal und übergross angelegten Narrativen und Metaphern aufrütteln wollen.

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Bei aller Wertschätzung eines ungebändigten Kinos bleibt gerade die sich immer weiter mit Abenteuermomenten und Epik aufladende Geschichte, die in einer Mystik-getränkten Sequenz gipfelt, in 28 Years Later Geschmacksache – ebenso wie der schnelle Wechsel zwischen Melodrama, hochgradig brutalem Horror und schwarzem Humor. Entweder hat man Appetit auf das Nervengepeitsche der Briten oder man findet es schnell too much.
Sowieso ist aber zu bewundern, wie sehr sich Garland und Boyle treu bleiben, auch 20-plus Jahre nach dem ersten Erfolg kommen sie von ihrem Pfad nicht ab. Selbst wenn es um das Entdecken neuer Technologien geht: Statt Digitalkameras wie im ersten Film kommen in 28 Years Later iPhones und Drohnen zum Einsatz, um das eigenwillige narrative Spektakel mit einer ungewohnten Optik zu ergänzen und kreativen Raum für unscharfe Bilder, kuriose Kameraperspektiven, grossartige Soundteppiche und sonderbare Bildcollagen zu schaffen.
Dass sich die Geschichte immer weiter und weiter auftürmt, wie die Pyramide aus Knochen und Schädel, die das Filmposter krönt, ergibt Sinn, wenn man weiss, dass 28 Years Later eigentlich gar nicht als letzter, sondern als erster Teil einer Trilogie gedacht ist. Boyle und Garland haben anscheinend auch schon den nächsten Film ihrer geplanten neuen 28 Years Later-Reihe abgedreht – im zweiten Teil hat aber nicht Boyle, sondern Nia DaCosta (Candyman) Regie geführt. Ihr 28 Years Later: The Bone Temple ist für Januar 2026 geplant. Mal schauen, ob aus dem Infizierten-Epos in DaCostas Händen etwas Neues wird.