Filmbulletin Print Logo
House of cards5

Your Pound of Flesh!

Elisabeth Bronfen über Shakespeare im Zeitalter der Fernsehserie.

Text: Elisabeth Bronfen / 23. Apr. 2019

Die Vermutung liegt nahe: Würde William Shakes-peare heute leben, er würde Fernsehdramen schreiben. Uns werden nicht nur stets neue Bearbeitungen seiner Stücke angeboten, dem jeweiligen Zeitgeist angepasst. Er taucht auch ganz unerwartet in Serien auf, so etwa in einer makabren Episode des TV-Thrillers Prison Break (2005–2017, Fox). In letzter Minute wird dort die Hinrichtung des Mannes aufgeschoben, der den Bruder der Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten, Caroline Reynolds, ermordet haben soll. Der Vater des zum Tod Verurteilten hat interveniert. Er weiss: Man hat Lincoln Burrows diese Tat angehängt, um zu vertuschen, dass der vermeintlich ermordete Terence Steadman noch am Leben ist. Deshalb hat er den Bericht der forensischen Untersuchung einem unvoreingenommenen Richter zugespielt, und dieser lässt die Leiche des getöteten Mannes wiederausgraben.

In einer Pressekonferenz nennt die Vizepräsidentin diese Exhumierung einen Trick der Verteidigung, das das Andenken an ihren Bruder beleidigt. Dabei handelt es sich ihrerseits um eine böswillige Verleumdung, hatte doch Caroline Reynolds, die am Verschwinden ihres Bruders beteiligt war, dessen Gebiss mitbegraben lassen. Vor der Tür des Gerichtsmediziners fängt sie kurz darauf die Rechtsanwältin ab, die, von einer Verschwörung gegen ihren Klienten weiterhin überzeugt, auch dem neuen forensischen Urteil misstraut. Um diese hartnäckige Kontrahentin einzuschüchtern, greift Caroline Reynolds auf ein berüchtigtes Shakespeare-Zitat zurück. Entrüstet schleudert sie der jungen Frau den Vorwurf entgegen: «You’ve gotten your pound of flesh!» Selbst nachdem diese den Raum verlassen hat, verharrt die Kamera auf der Vizepräsidentin, die selbstgerecht einen Seufzer von sich gibt. [...]

Den ganzen Essay können Sie in der Printausgabe von Filmbulletin lesen: Ausgabe 3/2019 bestellen

House of cards5

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 3/2019 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

Weitere Empfehlungen

Essay

03. Apr. 2023

Eine schöne Zeile und ein tragisches Ende

In a Lonely Place hätte eine Liebesgeschichte sein können, doch Bogarts verbitterter Drehbuchautor wird des Mordes beschuldigt. Dabei enthält diese zynische Schilderung Hollywoods die wohl tragisch-schönste Zeile, die ein Drehbuch haben kann.

Essay

02. Nov. 2015

Es war einmal: Einfuhrkontingente für Spielfilme

Seit den dreissiger Jahren bewegte sich die Debatte über «Auslandsunabhängigkeit» im Schnittpunkt von Politik, Wirtschaft und Kultur. Die Einfuhrkontingentierung für Spielfilme sollte die Un­abhängigkeit gewährleisten. 50 Jahre später wurde dieses Regime abgelöst durch das Ziel der «Angebotsvielfalt» und durch Fördermassnahmen. Ein Rückblick auf eine Entwicklung, die kaum abgeschlossen sein dürfte.

Essay

26. Sep. 2018

Gelebte und gesunkene Träume

Auf einem Schiff unterwegs zu sein, das bedeutet im Kino, das gesamte Spektrum des Lebens erzählt zu bekommen: von der Geburt bis zum Untergang, von Noahs Arche bis Charons Kahn. Dazwischen gibt es die Welt zu entdecken, die Freiheit zu schnuppern – und das Glück zu finden.