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© Independent Film Company/Shudder/Animal Holdings Pty Ltd./Pathé Films AG

Zweimal Horror: Dangerous Animals und The Conjuring: Last Rites

Der Kinoherbst wird mit zwei Horrorfilmen eingeläutet, die unterschiedlicher nicht sein könnten. 

Text: Selina Hangartner / 10. Sep. 2025
  • Dangerous Animals

  • Regie

    Sean Byrne

  • Buch

    Nick Lepard

  • Mit

    Jai Courtney, Hassie Harrison, Josh Heuston, Rob Carlton, Ella Newton

  • Start

    11. September 2025

  • - - - - -

  • The Conjuring: Last Rites

  • Regie

    Michael Chaves

  • Buch

    Ian Goldberg, David Leslie Johnson-McGoldrick, Richard Naing, James Wan

  • Mit

    Vera Farmiga, Patrick Wilson, Mia Tomlinson, Ben Hardy

  • Start

    4. September 2025

Dangerous Animals ist ein australischer Thriller, der nach einer Premiere in Cannes überraschend- und erfreulicherweise nun auch in den Schweizer Kinos läuft. Einigen mag Sean Byrne schon bekannt sein: Mit The Loved Ones (2009) und The Devil’s Candy (2015) legte der Regisseur aus Tasmanien bisher zwar erst zwei Spielfilme vor, beide stachen aber als solide und interessante Genrebeiträge heraus. Allein das vergleichbar geringe, aber geschickt eingesetzte Budget und der australische Schauplatz und Cast machten sie zu charmant-ungewöhnlichen Einträgen ins zeitgenössische Horrorkino. Besonders sein Erstling wurde 2009 zunächst als Geheimtipp und dann als kleiner Überraschungserfolg gehandelt: The Loved Ones denkt zwar das Horrorgenre nicht komplett neu, in die Geschichte sind aber genügend Überraschungen eingestreut, um sie nicht zu konventionell erscheinen zu lassen. Und trotz gehöriger Brutalität zeichnete Byrne (der auch das Drehbuch verfasste) für seine Figuren einen befriedigenden emotionalen Entwicklungsbogen.

Mit Dangerous Animals erweist sich Byrne erneut als gekonnter Inszenierer gruseliger Geschichten. An der sonnigen Küste Australiens, die eigentlich zum Surfen einladen sollte, treiben sich gefährliche Tiere herum. Für kurze Zeit lässt der Film noch rätseln, ob mit den «dangerous animals» die Haie gemeint sind, die in den dunklen Tiefen lauern. Schnell aber ist klar, dass hier keine weitere Jaws-Erzählung wartet, obwohl auch in Dangerous Animals das klaustrophobe Setting eines Boots und der blutgetriebene Instinkt der grossen Fische effektvoll inszeniert sind. Wie in Byrnes Vorgängern bewegt sich die Erzählung in nicht gänzlich unerwartete Richtungen, und doch gibt sie mehr als genug her, um spannend zu bleiben. Und wieder sind es die Figuren, die im Genrevergleich ungewohnt sympathisch und «echt» wirken und damit zusätzliche Sogkraft liefern.

Dangerous Animals

In Dangerous Animals lauert die Gefahr im Meer. / © Independent Film Company/Shudder/Animal Holdings Pty Ltd./Pathé Films AG

Vom Indie-Beitrag zum ertragreichen Franchise: Mit Last Rites ging die Conjuring-Reihe vergangene Woche in seine (vorerst) letzte Runde. Die Filme gehören seit 2015 zu den erfolgreichsten ihrer Art; mit vergleichsweise geringem Budget verwirklicht, konnten sie stets kräftig Gewinn machen. Seit jeher verkünden die Conjuring-Filme, dass sie auf wahren Begebenheiten basieren. Und tatsächlich gab es die Warrens, Lorraine (im Film gespielt von Vera Farmiga) und Ed (Patrick Wilson), die sich in den Siebzigern und Achtzigern dazu berufen fühlten, Heimgesuchte von ihren Dämonen zu befreien. Ihre Fälle inspirierten – mehr oder weniger lose – bisher vier Conjuring-Filme (2013, 2016, 2021, 2025) und waren Zündstoff zahlreicher Spin-offs (darunter Annabelle und The Nun).

Wie seine Vorgänger nimmt sich nun auch The Conjuring: Last Rites viel kreativen Freiraum beim Nacherzählen der Warren-Geschichte. Denn ihr tatsächliches Wirken ist sehr viel umstrittener, als es die Filmerzählungen durchschimmern lassen. Nicht nur bei radikalen Skeptiker:innen, sondern auch bei Vertreter:innen der Kirche und Forscher:innen des Paranormalen kam immer wieder der Verdacht auf, dass den zwei selbsternannten Dämonen-Expert:innen die lukrativen Bücher- und Filmdeals genauso am Herzen gelegen haben müssen wie die angeblichen Geister und Dämonen. Einen Hinweis darauf lieferte kürzlich auch der Dokumentarfilm The Devil on Trial (2023) auf Netflix, in dem ein berühmter Gerichtsfall um eine angebliche dämonische Besessenheit eines Mörders aufgewickelt wird, in den damals auch die Warrens involviert waren.

Geradezu faszinierend ist, mit wie viel Ernsthaftigkeit sich die Conjuring-Filme an der urchristlichen Idee des Guten und Bösen klammern: Nie kommen Zweifel auf, ob es sich denn tatsächlich um Dämonen handelt, und genauso wenig Zweifel lassen die Filme an der liebenden, heteronormen Beziehung der beiden Warrens zu, die sich als roter Faden durch die Filme zieht (und die in Wirklichkeit angeblich aber alles andere als das war). Lorraine und Ed werden ausnahmslos als devote Katholik:innen inszeniert, wobei Vera Farmiga Lorraine gekonnt mit der scheinheilig-zarten Überlegenheit einer Religionslehrerin spielt. Auch ihre Klientel, die sie damals zunächst in ihrer Heimat Connecticut aufsuchten, nach erlangter Berühmtheit dann auch in anderen Staaten oder sogar in England, scheint in den Filmen mehrheitlich aus braven Christ:innen zu bestehen, die nur vom Teufel je auf Abwege hätten geführt werden können.

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Vera Farmiga und Patrick Wilson sind in The Conjuring: Last Rites wahrscheinlich zum letzten Mal als Warrens zu sehen. / © 2025 Warner Bros. Ent.

Die Conjuring-Filme hätten durchaus kritischer ausfallen können. Zumindest würde die Historie genügend Vorlagen bieten: Im Fall des Amityville-Horrorhauses (zu sehen zu Beginn von The Conjuring 2) hat der Autor des Bestsellers, der das Haus damals bekannt machte, mittlerweile eingestanden, dass die Geschichte von ihm und der «betroffenen» Familie damals erfunden wurde, inspiriert von zahlreichen Gläsern Wein (und wahrscheinlich auch dem vorangehenden Kinoerfolg von The Exorcist, der 1973 Dämonen und Teufelsaustreibungen erst wieder populär machte). Der angeklagte Mörder im Teufel-Gerichtsverfahren, nachgezeichnet im dritten Film The Conjuring: The Devil Made Me Do It (2021), soll damals ebenfalls nach kräftigem Alkoholkonsum und schon vorangegangenen Episoden der Eifersucht sein Opfer erstochen haben. Und die vom Enfield-Geist besessenen Teenager-Mädchen in The Conjuring 2 (2016) gaben später zu, dass sie die Effekte ihrer Besessenheit damals inszeniert hatten – vielleicht als kleine Flucht aus dem ökonomisch prekären Vorstadtleben, das sie mit ihrer alleinerziehenden Mutter damals fristen mussten. Eine riesige Medienaufmerksamkeit und der Besuch der Warrens hat sie wohl dazu gezwungen, die Scharade aufrechtzuerhalten. Die weltlichen Quellen des Terrors hätten eigentlich eine genauso spannende Komponente in den Filmen sein können – dank der hell klingelnden Kinokassen kam das Conjuring-«Universum» aber auch ohne sie aus.

Von diesen historiografischen Komplikationen einmal abgesehen, sind die Conjuring-Filme, und auch dieser jüngste Beitrag, äusserst effektvolles und unterhaltsames Kino, das auf nervenaufreibende Jump-Scares setzt, und sowieso auf alles, was man von einem guten Dämonenfilm erwarten möchte: verzerrte Gesichter, die plötzlich im Dunkeln erscheinen, gefährliche Erscheinungen in allen Ecken, die dann von den Warrens wieder weggebetet werden müssen. Wer über die fast schon mythische Überhöhung einer zweifelhaften Geschichte hinwegsehen kann, oder das als Salz in der Suppe hier geniesst, wird von The Conjuring: Last Rites gut unterhalten sein. Ein Trinkspiel möchte ich den Kinogänger:innen trotzdem gern ans Herz legen: Nehmen Sie jedes Mal einen kräftigen Schluck, wenn Sie irgendwo im Hintergrund ein christliches Kreuz an der Wand entdecken. Nach 20 Minuten werden Sie dann ganz von selbst Gespenster sehen.

 
 

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