Filmbulletin Print Logo
Die farben der vergangenheit

Farbenspiele

Wenn im Historienfilm die Vergangenheit vor dem Kino als Geschichte in Details und Farbe wieder aufersteht; wenn historisches Material nachkoloriert, found footage ins
Fiktionale integriert oder aufwändig digital reanimiert wird, dann sind das Herausforderungen für Geschichts- und Bildtheorien zugleich.

Text: Daniel Eschkötter / 16. Aug. 2022

Dem historiographischen Farben- und Verfärbungskomplex und überhaupt der visuellen Geschichtsvergegenwärtigung hat der Kunsthistoriker Peter Geimer eine Studie gewidmet, die das Dazwischen exemplarisch skizziert und ausmalt, die Latenz von Artefakten der Historienmalerei, Fotografie, des Kompilationsfilms, die «unentschieden zwischen beiden Polen [der geformten ‹Geschichte› und formlosen ‹Vergangenheit›] oszillieren».

Geimers Bewegung ist dabei mitunter selbst eine der vergegenwärtigenden Überbrückung, ohne Oszillation: Wenn er zu den Realismus-Classics, Kracauer, Barthes, zurückkehrt und einige Jahrzehnte Geschichts-Film-Theorie einfach überspringt, dann wäre manchmal eine grössere Palette nicht verkehrt gewesen. Und auch sein Plädoyer für eine minimal-invasive Präsentation von historischem Material hätte einen Twist gebrauchen können. Aber darum weiss Geimer natürlich, er weiss darum, dass Retrofilter
und Vergangenheitseffekte inzwischen Teil einer neuen digitalen Geschichtsgrammatik sind, deren Regeln er nicht mehr niederschreibt. Die Zukunft gehört dann vielleicht einer simulierten Geschichte.

Peter Geimer: Die Farben der Vergangenheit: Wie Geschichte zu Bildern wird. C.H. Beck Verlag. 304 S. CHF 45 / EUR 36

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 4/2022 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

Weitere Empfehlungen

Kurz belichtet

05. Okt. 2022

Nichts geht mehr

Dank einer Pandemie und zunehmenden Klimakatastrophen sind wir es uns langsam gewohnt, dass sich apokalyptische Szenen nicht mehr nur in Filmen und Serien abspielen, sondern vermehrt auch im echten Leben.

Kurz belichtet

08. Aug. 2022

Das Star-Wars-Universe: Eine unendliche Geschichte

Mit der Übernahme von Lucasfilm durch Disney 2012 wurde das Star-Wars-Universum massiv ausgebaut, was dem Franchise mit neuen Kinofilmen, Merchandising, Animationsfilmen und vor allem TV-Serien wie The Mandalorian oder Obi-Wan Kenobi neue Fans besorgt und alte erfreut.

Kurz belichtet

05. März 2016

Träumerische Schnittmengen

In dem Album «Pour en finir avec le cinéma» des französischen Comic-Künstlers Blutch trägt die Cinephilie eine ausgesprochen hässliche Fratze. Blutchs Beschäftigung mit dem Kino findet auf einer offenkundigen Ebene der Zitate und Verweise, aber auch auf einer verborgenen, strukturellen statt. Das verbindet ihn mit seinem italienischen Kollegen Lorenzo Mattotti. Die Arbeiten der Comic-Künstler umkreisen das Kino, verbinden sich mit ihm zugleich vage und konkret.