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Filmbulletin1 1959

400 Mal Filmbulletin: Wir machen weiter!

Lang ist’s her, doch einst war Filmbulletin noch das Begleitpapier des Katholischen Filmkreises Zürich. Martin Girod blickt in die erste Ausgabe vom Januar 1959 und in die Tradition dieses Schweizer Filmvergnügens. 

Text: Martin Girod / 30. Mai 2022

Den Originaltext dieser ersten Ausgabe finden Sie hier.

Auf unauffälligere und bescheidenere Anfänge dürfte kaum eine andere Filmzeitschrift zurückblicken, die heute zu den renommierten und international beachteten gehört. Die Nr. 1 des vom «Filmkreis Zürich der katholischen Jugendorganisationen» publizierten «Film-Bulletins» umfasste im Januar 1959 ganze zwei Seiten und wurde im Umdruckverfahren von sogenannten «Schnapsmatrizen» gezogen. Das Editorial stand unter dem schwungvollen Titel: «Wir starten». Doch die Aufgabe der neuen Publikation sah man eng: Sie solle «Kontakt in unserem Filmkreis herstellen»; sie werde «natürlich in erster Linie ein Mitteilungsblatt sein» und daneben «für Berichte und Anregungen» aus den einzelnen Filmarbeitskreisen und Pfarreien offen stehen.

Gezeichnet war der Text mit dem Kürzel h.c.; es war H. R. Camenzind, der das Blatt bis zur Nr. 13 (Mai 1960) als Redaktor betreute. Bezüglich der Erscheinungsfolge wollte man sich anfänglich nicht festlegen; «das Bulletin kommt dann heraus, wenn es nötig ist». Der erste Jahrgang brachte es immerhin schon auf acht Ausgaben mit bis zu 14 Seiten Umfang. Dass das neue «Filmbulletin» keine filmpublizistischen und filmkritischen Ambitionen zeigte, dürfte in erster Linie darauf zurückzuführen sein, dass es ja – seit 1941 – den vom Katholischen Filmbüro redigierten «Filmberater» gab, den die jungen katholischen Laien weder konkurrenzieren konnten noch durften. Ohnehin publizierte der Filmkreis schon seit November 1958 die eigene Einschätzung neuer Filme regelmässig in der katholischen Tageszeitung «Neue Zürcher Nachrichten» als «Filmtip», wenn auch jeweils ohne einen begründenden Text.

Wichtigstes Thema in dieser Nr. 1 war die Vorbereitung eines dreiteiligen Filmzyklus (aus dem heute nur noch Delbert Manns Marty einigermassen bekannt ist). Der Vorverkauf musste organisiert und befördert werden, wollte man doch mit dem «Apollo» das damals grösste Zürcher Kino füllen. Dass die Anfänge des «Filmbulletins» im Zusammenhang stehen mit dem Zeigen von Filmen, die man wichtig fand, ist keineswegs untypisch. So begann die Schweizer Filmzeitschrift «Cinema» – heute nach zwei radikalen Transformationen als Jahrbuch weiterbestehend – 1955 unter dem Titel «Filmklub» und war das «offizielle Organ der Vereinigung Schweizer Filmgilden und Filmclubs». Auch einige der grösseren französischen filmkritischen Zeitschriften entsprangen der Filmklub-Bewegung: Die am ehesten mit dem «Filmbulletin» vergleichbare «Revue du Cinéma – Image et Son» war hervorgegangen aus dem «Bulletin d’Information de l’Union Française des Offices du cinéma éducateur laïque»; die Zeitschrift «cinéma 55» (dann «cinéma 56» usw.) wurde publiziert von der Fédération Française des Ciné-Clubs, und das bis heute erscheinende «Jeune cinéma» war ursprünglich die Zeitschrift des Filmklubverbands «Fédération Jean Vigo».

Der Filmbegeisterung und der daraus resultierenden Vorführtätigkeit der katholischen Filmkreise wie der Filmklubs lag zugrunde, dass sie im Kinobesuch mehr sehen wollten als nur einen unbeschwerten Zeitvertreib. Sie nahmen den Film ernst als ein künstlerisches Medium, das – selbst in unterhaltender Form – Tiefgründigeres zu vermitteln vermag. Sie wollten diese Sicht über die Projektion hinaus verbreiten, mündlich durch Vorträge, Filmeinführungen und -diskussionen, oft aber auch schriftlich. So erscheint es als durchaus bezeichnender Zufall, dass das «Filmbulletin» einen gleichnamigen Vorgänger hatte: das von November 1948 bis Juli 1952 erschienene «Organ des Studenten-Filmclubs Bern».

Eine Notiz in dessen «Filmbulletin Nr. 1» nimmt Bezug auf einen kurz zuvor veranstalteten Vortrag des Berner Schulleiters Markus Drack. Die von ihm aufgeworfenen Fragen werden den einzelnen Filmkreisen als Ausgangspunkte für vertiefende grundsätzliche Diskussionen nahegelegt. Darunter: «Was für eine Rolle spielt der Film als Kulturträger? Gibt es überhaupt eine Filmkultur? Oder ist Film nur Ersatz?» Und: «Kann man ohne Passivität keinen Film ansehen?»

Damit war eine Debatte eingeleitet, die über kurz oder lang den Rahmen eines Mitteilungsblatts sprengen musste und nach einer veritablen Filmzeitschrift rief. 

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 3/2022 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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